Archer Jeffrey
daß die Sowjets die Ikone nicht längst in ihren Händen haben.«
Niemand lachte.
»Was soll ich machen? Dasitzen und darauf warten, daß die Sowjets vor Montag mitternacht von ihrer New Yorker Bank siebenhundertzwölf Millionen Dollar in Gold ins USSchatzamt transferieren?«
»Die Sowjets müssen gleichzeitig ihr Original des Abkommens an mich abliefern«, erwiderte Rusk. »Und dazu haben sie nur noch sechzig Stunden Zeit.«
»Wo befindet sich unsere Kopie im Augenblick?« wollte der Präsident wissen.
»Irgendwo in den Kellergewölben des Pentagon. Nur zwei Personen wissen genau, wo. Seit der Konferenz von Jalta hat unsere Vertragskopie das Tageslicht nicht mehr gesehen.«
»Warum habe ich bis heute nichts davon erfahren?« fragte der Präsident. »Dann hätte ich wenigstens diese irrwitzigen Verteidigungsausgaben stoppen können!«
»Wir haben über fünfzig Jahre lang geglaubt, die russische Kopie sei im Verlauf der Revolution vernichtet worden, und mit der Zeit wurde es unverkennbar, daß die Sowjets selbst dies als fait accompli ansahen – die letzte Bestätigung erhielten wir von Stalin in Jalta. Innerhalb des letzten Monats muß Breschnew jedoch irgendwie zu der Überzeugung gekommen sein, daß die russische Kopie nur verlegt wurde.«
»Verdammt! Einen Monat später, und das alles wäre uns erspart geblieben …«
»Völlig richtig, Sir«, bemerkte der Außenminister.
»Eines ist Ihnen ja wohl klar, Dean: Wenn die Sowjets vor Montag mitternacht mit ihrer Kopie tatsächlich aufkreuzen, dann Gnade uns Gott!«
18
Die Tür des Bauernhauses schloß sich hinter Adam, vor ihm lagen die Randbezirke einer kleinen Stadt. In dieser Herrgottsfrühe erschien es ihm ungefährlich, im Laufschritt auf das centre ville zuzueilen; als die Arbeiter aus der Frühschicht in den Straßen auftauchten, fiel er jedoch wieder in Schrittempo. Er beschloß, das Stadtzentrum doch lieber nicht gleich aufzusuchen, sondern sich erst einmal nach einem Versteck umzusehen, wo er sich die nächsten Schritte in Ruhe überlegen konnte. Vor einer mehrstöckigen Parkgarage blieb er stehen: ein geeigneterer Ort ließ sich kaum finden, um einen neuen Plan zu schmieden.
Er betrat die Garage durch einen Ausgang im Erdgeschoß und kam zu einem Lift; wie an den Leuchtziffern oberhalb der Tür abzulesen war, hatte das Parkhaus vier Geschosse. Er lief die Treppe ins Kellergeschoß bis ganz nach unten, da er annahm, daß die unterste Etage sich zuletzt mit Wagen füllen würde. In der hintersten Ecke parkten zwei Autos, die, der dicken Staubschicht nach zu urteilen, hier schon seit einiger Zeit stehen mußten. Hinter einem der beiden Fahrzeuge hockend, fühlte er sich einigermaßen in Sicherheit – solange nicht ein außergewöhnlich Neugieriger auftauchte.
Vielleicht, überlegte er hoffnungsvoll, hatte jemand seinen Wagen in diesem Geschoß geparkt und die Schlüssel im Zündschloß vergessen. Er kontrollierte die Türen beider Wagen. Sie waren fest versperrt. Wie konnte er nur, realistisch betrachtet, bei Einbruch der Dunkelheit die Küste erreichen?
Adam war tief in Gedanken versunken, als er plötzlich ein scharrendes Geräusch vernahm und hochfuhr. Aufmerksam schaute er sich im Kellergeschoß um. Aus dem Dunkel tauchte ein Mann auf, der eine halbvolle Plastikmülltonne hinter sich herschleifte – ein alter Mann in einem schmutzigen, braunen Mantel, der fast bis zum Boden reichte und ohne Zweifel einen größeren Vorbesitzer gehabt hatte. Fieberhaft überlegte Adam, was tun, falls der Mann zu ihm herüberkäme, konnte dann aber endlich erkennen, wie alt und gebeugt der Mann war, zwischen dessen Lippen eine Zigarettenkippe steckte. Der Alte blieb stehen, entdeckte eine Zigarettenpackung auf dem Boden, hob sie auf, vergewisserte sich, daß sie tatsächlich leer war und warf sie in die Mülltonne, in die anschließend auch Bonbonpapier, eine Cola-Dose sowie eine alte Ausgabe des Figaro wanderten. Langsam sah sich der Alte im Kellergeschoß nach anderen Abfällen um. Vor seinen Blicken zog Adam sich immer weiter hinter den Wagen zurück und atmete schon auf, als der Alte endlich, zufrieden, seine Aufgabe erledigt zu haben, die Mülltonne zum Ausgang zerrte. Doch zwei Minuten später war der alte Mann zurück und ging zur Wand gegenüber, wo er eine Tür öffnete, die Adam gar nicht bemerkt hatte. Er zog den langen braunen Mantel aus und schlüpfte in einen grauen, der zwar nicht viel besser aussah, aber wenigstens paßte. Adam sah den Alten durch
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