Archer Jeffrey
oder?«
»Nein, Sir«, gestand Lawrence. »Mit Sicherheit wissen wir nun, daß er am Montagnachmittag hier in London einen Termin für eine ärztliche Untersuchung hat. Aber ich nehme nicht an, daß er ihn nicht einhalten wird.«
Sir Morris überging diese Bemerkung. »Irgendwer war aber sehr wohl in der Lage, an Scott heranzukommen, obwohl wir keine D4-Sitzung einberufen haben«, fuhr er fort. »Diese Ikone scheint ein Geheimnis zu bergen, dessen Bedeutung wir nicht einmal annähernd richtig einschätzen.«
»Und falls Scott noch lebt«, sagte Lawrence, »wird ihn keine Macht der Welt mehr davon überzeugen können, daß wir unschuldig sind.«
»Ja, wenn nicht wir schuld sind – wer dann?« fragte Sir Morris.
»Offensichtlich hat sich jemand derart verzweifelt bemüht, unseren nächsten Schachzug herauszufinden, daß er innerhalb der letzten Stunden ein unglaubliches Risiko eingegangen ist. – Es sei denn, Sie waren es«, fügte Sir Morris hinzu. Der Staatssekretär erhob sich von seinem Schreibtisch und blickte durch das Fenster auf die Parade der Horse Guards hinab.
»Selbst wenn ich es wäre«, entgegnete Lawrence, und seine Blicke blieben auf dem Bild der jungen Königin haften, das schräg vorne auf dem Schreibtisch seines Vorgesetzten stand, »selbst wenn ich es wäre, würde das nicht erklären können, weshalb auch die Amerikaner dort aufgetaucht sind.«
»Ach, das hat einen einfachen Grund«, antwortete Sir Morris.
»Bush hat ihnen direkte Anweisungen gegeben. Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, daß er dies tun würde. Allerdings hatte ich nicht vorhergesehen, wie weit die Amerikaner gehen würden, ohne uns auf dem laufenden zu halten.«
»Dann haben also Sie Bush informiert?« fragte Lawrence.
»Nein«, erwiderte Sir Morris. »Man landet nicht hinter diesem Schreibtisch, wenn man die eigene Haut riskiert. Ich habe dem Premierminister Bericht erstattet. Bei Politikern kann man sich immer darauf verlassen, daß sie Informationen weitergeben, sofern sie glauben, daraus einen Vorteil ziehen zu können. Also, um fair zu sein: Ich wußte, daß der Premierminister den amerikanischen Präsidenten benachrichtigen würde. Sonst hätte ich ihm überhaupt nichts gesagt. Aber, und das scheint mir wesentlich wichtiger: Glauben Sie, daß Scott noch am Leben ist?«
»Ja«, antwortete Lawrence. »Es besteht jeder Grund zur Annahme, daß jener Mann, der über das Flugfeld zur Maschine lief, Scott gewesen ist. Die französische Polizei – sie erwies sich übrigens wesentlich kooperativer als die schweizerische – hat uns informiert, daß unsere Maschine zwanzig Kilometer nördlich von Dijon über einem Feld abgestürzt ist. Aber weder Scott noch der Pilot wurden an der Unglücksstelle gefunden.«
»Und wenn der Bericht der Franzosen über die Vorfälle auf dem Flugfeld den Tatsachen entspricht«, sagte Sir Morris, »dann ist Romanow entkommen, und die Russen haben uns gegenüber einen mehrstündigen Vorsprung.«
»Möglicherweise.«
»Halten Sie es für möglich«, fragte Sir Morris, »daß sie Scott eingeholt haben und im Besitz der Ikone sind?«
»Ja, Sir. Das halte ich leider durchaus für möglich«, entgegnete Lawrence. »Aber ich kann nicht so tun, als bestünde darüber bereits hundertprozentige Gewißheit. Auf jeden Fall registrierte der Abhördienst der BBC in Caversham Park im Verlauf der Nacht zusätzliche Funksignale an alle sowjetischen Botschaften.«
»Das kann alles und nichts bedeuten«, erwiderte Sir Morris, während er die Brille abnahm.
»Zugegeben, Sir. Aber die NATO berichtet, sowjetische strategische Truppen seien in Bereitschaft versetzt worden. Außerdem hätten die Sowjetbotschafter in vielen europäischen Ländern um formelle Audienzen bei den Außenministern eben dieser Staaten ersucht. Auch an unseren Außenminister wurde ein derartiges Gesuch gerichtet.«
»Das beunruhigt mich schon eher«, meinte Sir Morris. »Was haben die Sowjets vor, wenn sie auf unsere Unterstützung hoffen?«
»Ganz richtig, Sir! Am aufschlußreichsten scheint mir jedoch die Tatsache, daß die Abteilung für Aktivmaßnahmen des KGB
– sie gehört zur Ersten Hauptverwaltung – in allen wichtigen Zeitungen Europas und wahrscheinlich auch der USA – ganze Seiten für Inserate bestellt hat.«
»Und jetzt sagen Sie mir nur noch, daß die Sowjets den Werbepapst J. Walter Thompson angeheuert haben, um ihnen die Anzeigen zu texten«, knurrte Sir Morris.
»Den werden sie kaum benötigen«, entgegnete
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