Archer Jeffrey
Lawrence.
»Diese Geschichte, fürchte ich, wird auch so überall Schlagzeilen machen.«
Das pausenlose Pochen in seiner Schulter war schuld, daß Adam ziemlich bald wieder aufwachte. Der Kahn hatte sich plötzlich um neunzig Grad gedreht und glitt ostwärts. Adam schreckte aus dem Schlaf hoch. Er warf dem Kahnführer einen Blick zu und bat ihn durch Zeichen, näher ans Ufer heranzufahren – das Gewässer war an dieser Stelle recht breit – , damit er vom Boot an Land springen könnte. Der alte Mann zuckte nur die Achseln und tat, als verstünde er nicht, während der Kahn weitertrieb.
Adam blickte über die Bordwand: Trotz der späten Stunde war das Flußbett einigermaßen gut zu sehen. Er warf einen Stein ins Wasser und beobachtete, wie er rasch bis zum Grund sank – tief konnte der Grund auf keinen Fall sein. Noch einmal sah er hilflos zum Kahnführer hinüber, der unbeirrt über seinen Kopf hinweg in die Ferne starrte.
»Verdammt!« sagte Adam. Er nahm die Ikone aus der Tasche des Blazers und hielt sie hoch über seinen Kopf. Er kam sich am Rand des Boots vor wie ein Fußballtrainer, der den Entscheid des Schiedsrichters zum Austausch eines Spielers abwartet. Adam sprang ins Wasser. Seine Füße schlugen hart auf dem Grund des Kanals auf. Der Aufprall nahm Adam den Atem, obwohl ihm das Wasser nur bis zur Taille reichte.
Er stand im Kanal und hielt die Ikone hoch, während der Kahn an ihm vorbeitrieb. Adam watete auf das nächstgelegene Ufer zu und kletterte auf den Treidelpfad hoch. Um sich besser orientieren zu können, drehte er sich ganz langsam einmal um. Den Großen Bären hatte er bald wieder entdeckt. Damit wußte Adam nun, in welche Richtung er zu marschieren hatte: genau nach Westen. Völlig durchnäßt lief er eine Stunde lang, bis er etwa einen Kilometer entfernt ein Licht sah. Seine tropfnassen Hosenbeine fühlten sich eiskalt an; in seinen Schuhen gluckste es, als er quer durch ein Feld auf die ersten Strahlen der Morgensonne zulief.
Bei jedem Gatter und jeder Hecke kroch er unten durch oder kletterte darüber, wie ein römischer Centurio, der den Weg zu seinem Bestimmungsort in möglichst gerader Linie zurückzulegen hat. Er erkannte die Umrisse eines Hauses; beim Näherkommen stellte er fest, daß es sich bloß um eine Kate handelte. Der Ausdruck »Kleinhäusler« aus dem Geographieunterricht fiel ihm wieder ein. Ein schmaler, gepflasterter Pfad führte zu einer Holztür, die halb offenstand. Adam betätigte den Türklopfer und stellte sich unter die Lampe über dem Eingang, damit man ihn gleich sehen konnte.
Die Tür wurde zur Gänze geöffnet. Auf der Schwelle stand eine etwa dreißigjährige Frau in einem einfachen schwarzen Kleid und einer fleckenlos weißen Schürze. Ihre rosigen Wangen sowie die stattliche Figur verrieten unmißverständlich den Beruf ihres Mannes.
Sie konnte ihre Überraschung nicht verbergen – sie hatte den Postboten erwartet, aber der kam nie in einem tadellosen blauen Blazer und in einer triefnassen grauen Hose.
Adam lächelte. » Anglais « , erklärte er, »Engländer«, und fügte hinzu: »Ich bin in den Kanal gefallen.«
Die Frau brach in Gelächter aus und winkte ihn in die Küche. Beim Eintreten sah er einen Mann, der sich offensichtlich eben zum Melken umgezogen hatte und in das Lachen einstimmte, als er Adam erblickte – es war ein warmes, freundliches Lachen; er lachte mehr mit Adam als über ihn.
Die Frau bemerkte, daß Adam den blitzblanken Boden mit kleinen Wasserlachen übersäte, holte ein Handtuch von dem Trockengestell über dem Herd und sagte, indem sie auf Adams Hose zeigte: » Enlevez moi ça- ziehen Sie das aus!«
Adam wandte sich ratlos an den Bauern, aber der nickte nur zustimmend und bekräftigte die Aufforderung noch durch eine Gebärde – so als wollte er seine eigene Hose herunterlassen.
» Enlevez-les, ziehen Sie sie aus!« wiederholte die Frau und reichte Adam ein Handtuch.
Adam schlüpfte aus Schuhen und Socken, aber die Bauersfrau machte so lange Zeichen, bis er auch die Hose ausgezogen hatte; sie rührte sich erst von der Stelle, als er schließlich auch Hemd und Unterwäsche abgelegt und das Handtuch um seine Taille geschlungen hatte. Sie warf einen langen prüfenden Blick auf den dicken Verband auf Adams Schulter, hob sämtliche Kleidungsstücke außer dem Blazer auf und trug sie zum Spülbecken, während Adam sich zum Trocknen an den Herd stellte.
Der Bauer winkte ihn zu sich an den Tisch und goß für den Gast und für
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