Archer Jeffrey
ihnen
vorbeiging.
Adam wartete, bis ein schwerer BMW, von dessen
Kühlerhaube die bundesdeutsche Flagge flatterte, seine
Geschwindigkeit verringerte und das Tor passierte. Adam
benützte den Wagen als Deckung und trat auf den Fahrweg;
dann marschierte er dicht hinter dem BMW geradewegs
zwischen den Wachen auf die Straße zu.
» Bonsoir « , sagte er gut gelaunt zu den Wachtposten, als der
Wagen weiterfuhr. Nur noch ein Meter trennte ihn von der
Straße. Geh! befahl er sich selbst, lauf nicht, sondern geh; geh,
bis du außerhalb ihrer Sichtweite bist. Die Gendarmen
salutierten ehrerbietig. Schau nicht zurück! Ein weiteres Auto
fuhr hinter ihm heraus, aber Adam hielt den Blick entschlossen
nach vorne gerichtet.
» Tu cherches une femme? – Suchst du eine Frau?« fragte die
Stimme aus dem Dunkel einer Hauseinfahrt. Adam war in einer
schlechtbeleuchteten Einbahnstraße gelandet. Etliche Herren
unbestimmbaren Alters spazierten anscheinend ziellos auf dem
Gehsteig auf und ab. Adam beobachtete sie mißtrauisch. Die Frage wiederholte sich.
»Wa …?« sagte Adam und machte einen jähen Schritt auf die
Fahrbahn hinunter.
»Aus England, eh? Brauchst du eine Frau?« Die Stimme
hatte einen unverkennbar französischen Akzent.
»Sprechen Sie englisch?« fragte Adam, der die Frau noch
immer nicht deutlich sehen konnte.
»In meinem Beruf muß man jede Menge Sprachen können,
chéri, sonst man ver’ungert.«
Adam versuchte zusammenhängend zu denken. »Wieviel für
die Nacht?«
» Eh bien, es ist ja noch nicht einmal zwölf Uhr«, antwortete
das Mädchen. »Da macht es zwei’undert Francs.«
Adam hatte zwar kein Geld, aber er hoffte, daß ihn das
Mädchen wenigstens an einen sicheren Ort führen würde. »Zweihundert – geht in Ordnung!«
» D’accord, einverstanden«, erwiderte sie und trat endlich aus
dem Dunkel. Überrascht stellte Adam fest, wie hübsch sie war. »Nimm meinen Arm. Wenn du kommst vorbei an einem
Polizist, du sagst nur ›ma femme‹, meine Frau.«
Adam stolperte vorwärts.
»O, ich glaube, du ’ast zuviel getrunken, chéri. Macht nichts,
du kannst dich lehnen an mich, ja?«
»Nein, ich bin nur müde«, entgegnete Adam und bemühte
sich sehr, mit ihr Schritt zu halten.
»Du warst auf einer Party in der Botschaft, nicht wahr?« Adam schreckte zusammen.
»Mußt dich nicht wundern, chéri. Die meisten von meinen
Stammkunden kommen von den Botschaften. Sie können nicht
riskieren, sich einzulassen in irgendwelche Zufallsaffären, tu
comprends?- verstehst du?«
»Ich glaube dir«, sagte Adam.
»Meine Wohnung ist gleich um die Ecke«, versicherte sie
ihm. Adam war überzeugt, daß er es bis dorthin noch schaffen
würde, aber als sie vor einem Mietshaus stehenblieben, und er
die Treppe sah, mußte er tief Luft holen. Mit letzter Kraft kam
er bis zur Haustür.
»Ich wohne im zweiten Stock, chéri, sehr schöne Aussicht«,
erklärte sie sachlich, »aber leider – wie sagt man? – kein Lift!« Adam gab keine Antwort, sondern lehnte sich nur schwer
atmend an die Hausmauer.
»Du bist fatigué – müde«, stellte sie fest. Als sie den zweiten
Stock erreichten, mußte das Mädchen ihn die letzten paar
Stufen beinah hinaufzerren.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du ihn ’eute noch
’ochkriegst, chéri, « sagte sie, während sie ihre Wohnungstür
aufsperrte und Licht machte. »Nun ja, ist ja deine Sache.«
Entschlossen ging sie hinein und knipste im Vorbeigehen
weitere Lampen an.
Adam wankte durch den Raum zu dem einzigen Sessel in
Sichtweite und ließ sich hineinfallen. Das Mädchen war
mittlerweile in einem anderen Zimmer verschwunden; nur mit
äußerster Anstrengung gelang es Adam, nicht einzuschlafen,
bevor sie zurückkam.
Das Licht fiel durch die Türöffnung, in der sie stand. Adam
konnte sie zum erstenmal richtig ansehen. Ihr blondes Haar war
kurz und gelockt; sie trug eine rote Bluse und einen
knielangen, hautengen schwarzen Rock. Ein breiter weißer Plastikgürtel betonte ihre schmale Taille. Sie trug schwarze Netzstrümpfe, und was Adam von ihren Beinen zu sehen bekam, hätte ihn unter normalen Umständen mehr als
aufgeregt.
Sie näherte sich ihm mit einem leichten Wiegen der Hüften
und kniete vor ihm. Ihre Augen waren von einem verblüffend
klaren Grün.
»Gibst du mir bitte die Zwei’undert jetzt gleich?« bat sie
Adam.
»Ich hab’ überhaupt kein Geld«, antwortete er schlicht. »Was?« Zum erstenmal klang ihre Stimme ungehalten. Sie
fuhr mit der Hand in seine Brusttasche und zog eine
Brieftasche
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