Archer Jeffrey
sich
ungläubig. Romanow zögerte, dann drehte er die Ikone um. Ein
zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht; er konnte an
Adams Augen ablesen, daß Adam genau wußte, was das
Fehlen der Krone bedeutete.
»So wie Ihnen«, fuhr Romanow fort, »wurde auch mir dieses
Bild nur als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Aber Sie
brauchen mir nur zu sagen, wo die echte Ikone ist, und ich
lasse Sie sofort frei und tausche die Kopie gegen das Original
aus. Niemand würde es merken, und für Sie würde noch immer
ein ordentlicher Profit herausschauen.«
»Alte Lampen gegen neue«, erwiderte Adam mit einem
spöttischen Grinsen.
Romanows Augen wurden schmal und drohend. »Es ist Ihnen
doch wohl klar, daß Sie sich im Besitz eines Meisterwerks von
unschätzbarem Wert befinden, das der Sowjetunion gehört.
Wenn Sie die Ikone nicht zurückgeben, bringen Sie Ihr Land in
arge Verlegenheit. Sie selbst würden wahrscheinlich im
Gefängnis landen. Sagen Sie mir doch, wo die Ikone ist, und
Sie sind ein freier Mann!«
Adam schüttelte nicht einmal den Kopf.
»Dann ist es wohl an der Zeit, Sie in etwas Einblick nehmen
zu lassen, das Sie vielleicht mehr interessieren wird«, sagte
Romanow. Er zog ein Kuvert aus der Innentasche seines Sakkos und entnahm ihm ein einzelnes Blatt Papier. Adam war ehrlich verblüfft: er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, worum es sich handelte. Romanow faltete das Blatt langsam auseinander und hielt es so, daß Adam nur die
Rückseite zu sehen bekam.
»Dieses Blatt Papier gibt Zeugnis vom Vollzug eines Urteils,
das 1946 von Richter I. T. Nikitschenko in Moskau gefällt
wurde. Eines Todesurteils«, ergänzte Romanow. »Es wurde
über einen gewissen Major Wladimir Koski verhängt, den
diensthabenden Offizier der sowjetischen Wache an jenem
Abend, an dem Reichsmarschall Hermann Göring starb.« Er drehte das Blatt um. »Major Koski wurde der
Kollaboration mit dem Feind um finanzieller Vorteile willen
für schuldig befunden. Er war erwiesenermaßen persönlich
dafür verantwortlich, daß an dem Abend, an dem der
Reichsmarschall starb, Zyankali in die Zelle geschmuggelt
wurde.«
Adams Augen weiteten sich. »Sie sehen also, daß ich die
Atouts in der Hand habe«, meinte Romanow. »Vielleicht
werden Sie mir jetzt endlich sagen, wo sich die Ikone befindet.
Ihre Ikone gegen meine, und als Draufgabe das Gerichtsurteil,
welches die Ehre Ihres Vaters wieder herstellt …«
Adam schloß die Augen. Zum erstenmal kam ihm zum
Bewußtsein, daß Romanow überhaupt nicht wußte, was die
Ikone verbarg.
Romanow ließ seiner Wut freien Lauf. Er lief zur Tür und riß
sie auf. »Sie können ihn haben!«
Unverzüglich trat Dr. Stawinsky wieder ein, lächelnd fuhr er
in seinem Vortrag fort, als wäre er nie unterbrochen worden:
»Professor Metz war auch mit Stadium Zwei nie wirklich
zufrieden, zumal er feststellen mußte, daß die Regeneration
selbst bei einem so tapferen und gesunden Mann wie Ihnen
manchmal Stunden, ja sogar Tage dauern kann. Daher widmete er seine letzten Jahre an der Universität der Frage, wie der gesamte Prozeß beschleunigt werden könne. Die Lösung, die er schließlich fand, war in ihrer Einfachheit verblüffend und eines Genies würdig. Er mußte nur eine chemische Substanz entwickeln, die – in das Nervensystem injiziert – eine sofortige Regeneration des Organismus bewirkt – ein rasch wirksames Analgetikum. Zwölf Jahre und etliche Experimente mit tödlichem Ausgang waren erforderlich, bevor Metz die endgültige Lösung gefunden hatte«, fügte Stawinsky hinzu. Er entnahm der Zigarrenkiste eine weitere Ampulle und stieß die
Nadel einer zweiten Spritze in den Verschluß des Fläschchens. »Dies hier in Ihre Blutbahn injiziert, fördert die Regeneration
dermaßen, daß Sie sich fragen werden, ob Sie überhaupt jemals
einen Schmerz empfunden haben.« Triumphierend hielt er die
kleine Ampulle hoch. »Für diese geniale Erfindung hätte Metz
den Nobelpreis bekommen müssen, doch waren wir der
Meinung, daß er sie nicht mit dem Rest der wissenschaftlichen
Welt teilen sollte. Ihm habe ich es auch zu verdanken, daß ich
die Prozedur, die Sie vorhin kennengelernt haben, beliebig oft
wiederholen könnte, ohne daß Sie daran zugrunde gingen. Ich
könnte den Hebel dieses Generators die ganze nächste Woche
hindurch alle dreißig Minuten hinauf- und wieder
hinunterdrücken, so dies Ihr Wunsch sein sollte«, erklärte
Stawinsky mit starrem Blick auf Adams bleiches, ungläubiges
Gesicht, in dem noch
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