Archer Jeffrey
gehört, Colonel! Ehrlich gesagt: Nicht alle sind der Ansicht, daß es von
Shakespeare stammt.«
Adam kniete über dem Körper des Colonels. Fieberhaft
überlegte er den nächsten Schritt. Der schalldichte Raum
erwies sich jetzt für ihn als Vorteil. Er wartete ein paar
Sekunden und versuchte abzuschätzen, wieviel Kraft ihm
verblieben war. Dann hob er die umgefallene Wasserflasche
auf und trank sie bis zum letzten Tropfen leer. Anschließend
kroch er zu dem Bett hinüber, zog Unterhose und Socken an,
die Schuhe und das nicht mehr allzu weiße Hemd; zuletzt die
Hose. Er wollte in den Blazer schlüpfen, entdeckte aber, das
dessen Futter in Fetzen gerissen war. Er besann sich eines
Besseren, stolperte unsicher wie ein alter Mann auf den
Colonel zu, zog ihm das Harris-Tweed-Sakko aus und
schlüpfte hinein. An den Schultern war es ihm zu weit, an den
Hüften zu kurz.
Adam machte sich auf den Weg zur Tür; beinah nahm er die
Sache bereits von der komischen Seite. Sachte drückte er die
Klinke hinunter und zog vorsichtig daran. Die Tür öffnete sich
einen Zentimeter nach innen. Draußen rührte sich nichts. Zwei
Zentimeter. Noch immer nichts. Adam spähte durch den Spalt,
aber außer einem dunklen Korridor sah er nichts. Als er die Tür
zur Gänze aufzog, quietschten die Angeln wie die Reifen eines
Rennwagens. Sobald er sicher war, daß noch keiner seiner Peiniger auf dem Weg hierher zurück war, wagte er sich in den Korridor hinaus. Adam drückte sich gegen die Wand, blickte angestrengt in beide Richtungen und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Vom anderen Ende des Korridors drang schwaches Licht durch die Milchglasscheibe einer Tür. Er begann, mit kleinen Schritten darauf zuzugehen. Wie ein Blinder tastete er sich langsam weiter. Unter einer Tür zu seiner Rechten drang ein Lichtstrahl hervor. Die Tür, die er erreichen mußte, lag etwa zwanzig Meter weiter. Vorsichtig schob er sich vorwärts. Er hatte nur mehr einen Schritt bis zur ersten Tür zurückzulegen, da sprang sie plötzlich auf, und heraus trat ein kleiner Mann in einem kurzen weißen Kittel, vor den er sich eine blaue Küchenschürze gebunden hatte. Adam erstarrte. Er drückte sich förmlich in die Wand hinein. Der Küchengehilfe nahm ein Päckchen Zigaretten und eine Streichholzschachtel aus der Tasche und ging in die entgegengesetzte Richtung davon, erreichte die Glastür, öffnete sie und trat ins Freie. Adam beobachtete die schattenhafte Gestalt, die sich gegen die Milchglasscheibe abzeichnete. Er sah, wie ein Streichholz entflammt und eine Zigarette angezündet wurde. Er sah auch das erste Rauchwölkchen;
sogar einen Seufzer konnte er hören.
Adam schlich an der Tür vorbei, die, wie er vermutete, in
eine Küche führte, und dann weiter zur Außentür. Langsam
drehte er den Türknauf und wartete, bis die Gestalt davor sich
bewegte. Auch die Angeln dieser Tür waren offensichtlich seit
Monaten nicht geölt worden. Der Raucher drehte sich lächelnd
um. Da landete Adams Linke auf seinem Magen. Er kippte
vornüber. Adam schlug ihm mit geballter Energie die rechte
Faust gegen das Kinn. Der Mann sackte zu Boden. Adam
blickte auf ihn hinunter; er war froh, daß sein Opfer sich nicht
mehr rührte.
Er zerrte den schlaffen Körper über den Rasen und ließ ihn
hinter einem Busch zu Boden fallen. Eine Weile blieb er knien, um sich zu orientieren. Adam sah eine hohe Mauer und davor einen mit Kies bestreuten Hof. Die Mauer warf im Mondlicht einen langen Schatten über die kleinen Steine. Zwanzig Meter
ungefähr …
Adam nahm alle seine Kräfte zusammen und rannte auf die
Mauer zu. Er klebte an ihr wie eine Schnecke und verharrte
reglos in ihrem Schatten. Langsam und lautlos bewegte er sich
an ihr entlang vorwärts, Meter um Meter, bis er die Vorderseite
des Gebäudes erreichte. Er war mittlerweile überzeugt, daß es
sich um die sowjetische Botschaft handelte. Das große grüne
Holztor am Haupteingang stand offen; alle paar Sekunden
rauschte eine Limousine an Adam vorbei. Er blickte zur
Eingangstür der Botschaft: Auf der obersten Stufe stand ein
kräftig gebauter Mann, der ganze Reihen von Orden quer über
die Jacke seiner Galauniform trug. Er schüttelte jedem der
Gäste, die das Gebäude verließen, die Hand; wahrscheinlich
der Botschafter, dachte Adam.
Ein oder zwei Gäste verließen die Botschaft zu Fuß. Am Tor
standen zwei bewaffnete Gendarmen stramm; sie salutierten
jedesmal, wenn ein Wagen durchfuhr oder ein Gast an
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