Archer Jeffrey
wußte. Über siebenhundert Millionen Dollar in Gold lassen sich nicht leicht verstecken, auch in Amerika nicht. Ich habe es ihm zu erklären versucht. Der Bankier sah Romanow in seinem Wagen fortfahren. Würdest du nicht nur die Prawda, sondern – wie dein Großvater – auch die Washington Post lesen, hättest du das alles längst gewußt, dachte er noch, bevor er an seinen Schreibtisch zurückkehrte und die Namen der vierzehn Banken durchging. Er wußte sofort, wen er anrufen mußte.
Adam trat aus der Kneipe Tattersalls Tavern an der Ecke von Knightsbridge Green und wanderte, am Hyde Park Hotel vorbei, auf den Royal Thames Yacht Club zu – ein eher ungewöhnlicher Ort für ein Bewerbungsgespräch beim Foreign Office, wie er meinte, aber im Zusammenhang mit dieser Bewerbung war bisher alles irgendwie merkwürdig gewesen.
Beim Ex-Sergeanten der Königlichen Marine am Eingang des Hochhauses erkundigte er sich, wo die Interviews stattfänden. Adam hatte sich verfrüht.
»Sechster Stock, Sir. Nehmen Sie den Lift dort hinten«, er zeigte an Adam vorbei, »und melden Sie sich beim Empfang.«
Adam drückte auf den Rufknopf, wartete bis der Lift eintraf, dessen Türen sich automatisch öffneten. Ihm folgte gemächlich ein etwa gleichaltriger Mann mit Brille, der, dem Gewicht nach zu urteilen, bei keiner Mahlzeit auf die Nachspeise zu verzichten schien. Adam drückte die Taste für den sechsten Stock. Keiner sagte ein Wort.
»Mein Name ist Wainswright«, sagte der stattliche Herr zum Mädchen am Empfang.
»Ja, Sir«, sagte das Mädchen. »Sie kommen ein bißchen zu früh, aber nehmen Sie doch bitte dort drüben Platz.« Sie wies auf einen Stuhl in der Ecke und lächelte Adam zu.
»Scott«, stellte Adam sich vor.
»Ja, Sir«, sagte sie wieder. »Schließen Sie sich bitte dem anderen Herrn an. Sie kommen aber vor ihm dran.« Adam nahm sich ein Heft der Zeitschrift Punch vom Tisch und ließ sich neben Wainwright nieder, der bereits das Kreuzworträtsel im Telegraph auszufüllen begonnen hatte.
Weil ihn ein Punch nach dem anderen langweilte, wandte er sich an Wainwright. »Sie sprechen nicht zufällig deutsch?«
»Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch«, antwortete Wainwright aufblickend. »Vermutlich bin ich deswegen auch so weit gekommen«, fügte er ein wenig selbstgefällig hinzu.
»Könnten Sie mir vielleicht einen Absatz aus einem deutschen Brief übersetzen?«
»Mit Vergnügen, mein Guter.« Wainwright nahm wartend die dickgläsrige Brille von der Nase, als Adam den mittleren Absatz des Briefes aus dem Umschlag zog.
»Lassen Sie mal sehen.« Wainwright griff nach dem Stückchen Papier und setzte die Brille wieder auf. »Na, das ist aber eine echte Herausforderung! Sagen Sie, mein Bester, Sie gehören nicht zufällig zu den Interviewern?«
»Aber nein«, wehrte Adam lächelnd ab. »Wir befinden uns in der gleichen Situation – nur daß ich eben nicht deutsch, französisch, italienisch oder spanisch kann.«
Wainwright war spürbar erleichtert. »Also, dann will ich mal sehen«, sagte er. Adam zückte sein kleines Notizbuch.
»›Es kann Ihnen nicht entgangen sein, daß ich von einem der Wachtposten regelmäßig mit einem … einem … einem Vorrat‹«, plötzlich hatte er es »ja, ›einem Vorrat an HavannaZigarren versorgt worden bin. Es ist dies eine der wenigen Annehmlichkeiten, die mir trotz meiner Inhaftierung zugestanden‹ – nein: ›genehmigt‹ – oder noch besser: ›gestattet worden sind‹. Ich übersetze so wörtlich wie möglich«, fügte Wainwright erklärend hinzu. »›Die Zigarren dienten allerdings auch einem anderen Zweck‹«, fuhr Wainwright offensichtlich mit großem Vergnügen fort. »›Sie enthielten winzige Kapseln mit … ‹«
»Mr. Scott!«
»Ja«, Adam sprang auf.
»Die Kommission bittet Sie herein«, sagte die Empfangsdame.
»Soll ich das hier fertig machen, mein Guter, während Sie drinnen fertiggemacht werden?« Wainwright zeigte auf den Zettel.
»Bitte«, erwiderte Adam. »Wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe bereitet.«
»Weniger als das Kreuzworträtsel«, meinte Wainwright. Er schob die Zeitung zur Seite.
Alex Romanow war selbst unter optimalen Arbeitsbedingungen kein geduldiger Mensch; wenn aber der Generalsekretär, wie zur Zeit, Romanows Chef zweimal täglich anrief, konnte man gewiß nicht von optimalen Arbeitsbedingungen sprechen.
Während er auf Nachrichten des Direktors der Gosbank wartete, studierte er noch einmal die Berichte des Forschungsteams, die sich auf
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