Archer Jeffrey
hinfahren und selbst nachsehen«, sagte er. »Ich könnte heute noch fliegen«, ergänzte er.
Der Gosbank-Generaldirektor bedeutete ihm, sich zu setzen. Romanow sank in seinen Sessel zurück.
»Die Maschine, die Sie nehmen, fliegt erst um 16 Uhr 45 vom Flughafen Scheremetjewo ab. Ich habe vorsichtshalber bereits zwei Plätze für Sie gebucht.«
»Zwei?« fragte Romanow.
»Es liegt doch auf der Hand, daß Sie als Begleiterin eine Expertin brauchen – es sei denn, Sie verstünden von Ikonen erheblich mehr als vom Bankgeschäft«, betonte Poskonow. »Ich habe Ihnen in der Swissair Maschine Plätze reservieren lassen, weil man mit Aeroflot möglichst nie fliegen sollte. Seit ihrem Bestehen hat unsere Fluglinie in den Annalen der Fliegerei alljährlich nur einen Rekord zu verzeichnen: die höchste Zahl von toten Passagieren pro Flugkilometer. Und Bankiers gehen nie unnötige Risiken ein. Ferner habe ich für morgen vormittag zehn Uhr einen Termin bei Herrn Bischoff für Sie arrangiert – natürlich nur unter der Voraussetzung, daß Sie nichts Dringlicheres in Moskau zurückhält, Genosse?«
Romanow mußte lächeln.
»Ihrer Akte entnehme ich, daß Sie nie in der Schweiz eingesetzt worden sind«, sagte der alte Herr. »Ich darf Ihnen daher vielleicht empfehlen, in Zürich im St. Gothard abzusteigen. Jacques Pontin wird sich beispielhaft um Sie kümmern. Was für die Schweizer zählt, ist nie die Nationalität, sondern immer nur die Valuta. Und damit wären meine bescheidenen Ermittlungen vorläufig abgeschlossen. Mit den beiden verreisten Direktoren werde ich gleich nach ihrer Rückkehr in Verbindung treten. Im Moment kann ich Ihnen nur noch viel Glück wünschen.«
»Danke«, sagte Romanow. »Und lassen Sie mich hinzufügen, wie sehr ich Ihre Gründlichkeit zu schätzen weiß.«
»Es war mir ein Vergnügen, Genosse. Sagen wir, daß ich Ihrem Großvater noch einen Gefallen schulde, und vielleicht kommen Sie eines Tages drauf, daß Sie mir einen schulden. Dabei sollten wir es belassen.«
Romanow zerbrach sich den Kopf, was der alte Herr mit dieser rätselhaften Bemerkung meinte; da Poskonows Miene nichts verriet, verabschiedete er sich kurz, ohne beim Herabschreiten der breiten Marmortreppe die fast schon gefühlsbetonte Bemerkung des Bankiers vergessen zu können; einem KGB-Offizier sagt niemand etwas rein zufällig und absichtslos.
Kaum wieder am Dscherschinskij-Platz angelangt, erfuhr Romanow von seinem Sekretär, aus Zürich habe der Assistent eines Herrn Bischoff angerufen und eine Verabredung um zehn Uhr vormittag des folgenden Tages bestätigt. Romanow ließ seinen Sekretär beim Manager des St. Gothard telefonisch zwei Zimmer buchen. »Ach ja, und lassen Sie meinen Flug bestätigen. Ich fliege mit der Swissair « , fügte er noch hinzu, bevor er zwei Stockwerke höher ging und seinem Vorgesetzten Bericht über die Unterredung mit dem Nationalbankchef erstattete.
»Dem Himmel sei Dank«, stieß Zaborski hervor. »Wir haben nur noch neun Tage Zeit, und jetzt haben Sie mir wenigstens etwas gegeben, worüber ich mit dem Generalsekretär sprechen kann, wenn er mich um ein Uhr morgens anruft.«
Romanow lächelte.
»Viel Glück, Genosse. Wir werden unsere Schweizer Botschaft alarmieren, sie wird Ihnen in allem zur Verfügung stehen. Hoffen wir inständig, daß Sie das Kunstwerk wieder an seinen angestammten Platz im Winterpalast zurückbringen können.«
»Wenn es sich in dieser Bank befindet, werden Sie es morgen abend haben«, sagte Romanow. Der KGB-Vorsitzende verabschiedete ihn freundlich.
In Romanows Büro wartete schon die Genossin Petrowa auf ihn.
»Du hast mich rufen lassen, Genosse?«
»Ja. Wir fliegen nach Zürich.« Romanow sah auf die Armbanduhr. »In drei Stunden. Flug und Hotel sind schon
gebucht.«
»Auf Herr und Frau Schmidt?« fragte seine Geliebte.
6
Gelassen und zuversichtlich verließ Adam zum Schluß des Interviews das Sitzungszimmer, nachdem ihn der Leiter der Kommission gefragt hatte, ob er einer ärztlichen Untersuchung in der folgenden Woche zustimme. Er wüßte keinen Grund, ein solches Ersuchen abzulehnen, hatte Adam erwidert; schließlich würde er gern im britischen Foreign Service arbeiten.
Im Vorraum gab Wainwright ihm das Zettelchen zurück, das Adam, dankend, mit einem möglichst gleichgültigen Gesicht in seiner Jacke unterbrachte, ohne Wainwrights Bemühungen auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben.
»Wie war’s, alter Knabe?« fragte Wainwright besorgt. »Für einen
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