Archer Jeffrey
heruntergeleiert hatte, erteilte ihm der Priester die Absolution und gab ihm drei Rosenkränze als Buße auf.
»Und noch etwas …«
»Ja, Hochwürden?«
»Du wirst deiner Frau alles erzählen, wenn du wieder in Irland bist, sonst kannst du nicht auf Vergebung hoffen. Versprich mir das, mein Sohn!«
»Sobald ich meine Frau wiedersehe, werde ich ihr alles erzählen, was in der letzten Nacht vorgefallen ist, Hochwürden«, gelobte Adam und spähte noch einmal zum Tor des Seitenschiffs hinüber. Die Polizisten waren verschwunden.
»Gut, und bete zur heiligen Jungfrau Maria, damit sie dich vor allen bösen Versuchungen bewahre.«
Adam faltete die Zeitung zusammen, schob sie in eine Tasche des Trenchcoats, sprang rasch vom Beichtfenster weg und setzte sich ans Ende einer Bankreihe. Er senkte den Kopf und begann das Vaterunser vor sich hinzumurmeln, während er den Stadtplan von Genf öffnete und zu studieren anfing. Als er bei »und erlöse uns von dem Bösen« angekommen war, hatte er das britische Konsulat ausfindig gemacht: Es lag auf der anderen Seite einer kleinen quadratischen Parkanlage. Er schätzte die Entfernung von der Kirche auf zwei Kilometer; sieben Straßen und eine Brücke mußte er hinter sich bringen, bevor er in Sicherheit war. Er wanderte noch einmal in die Scheitelkapelle und kniete nieder. Er schaute auf die Uhr: es war noch zu früh, um die Kirche zu verlassen, daher blieb er, den Kopf in die Hände vergraben, noch weitere dreißig Minuten sitzen und ging im Geist die Strecke wieder und wieder durch. Er beobachtete eine Gruppe von Touristen, die durch die Kathedrale geführt wurde. Keine Sekunde wandte er den Blick von ihnen, während sie sich auf das Tor am westlichen Ende des Kirchenschiffs zu bewegten. Ein perfektes Timing war entscheidend.
Unvermittelt stand Adam auf, lief das Seitenschiff hinunter und erreichte das Portal, als die Touristen sich anschickten, das Gotteshaus zu verlassen; sie gingen einen Meter vor ihm und boten ihm, während sie auf den Platz hinaustraten, Deckung. Adam verbarg sich im Schatten der Markise eines Straßenladens, umlief drei Seiten des Platzes, um dem Polizisten in der nördlichen Ecke auszuweichen, überquerte rasch noch die erste Straße, als die Ampel auf Rot sprang und lief eine Einbahnstraße auf der Innenseite des Gehsteigs hoch, da er am Ende der Straße nach links abbiegen mußte. Zwei uniformierte Polizisten kamen um die Ecke und schritten direkt auf ihn zu. Adam stürzte blindlings in das erstbeste Geschäft und stellte sich so, daß man ihn vom Gehsteig aus nicht sehen konnte.
» Bonjour, Monsieur « , sagte eine junge Dame zu Adam. » Vous désirez quelque chose? Womit kann ich dienen?«
Adam blickte sich um. Rund um ihn standen bewegliche Kleiderpuppen in Schlüpfern, Büstenhaltern, Strapsen und langen schwarzen Nylonstrümpfen.
»Ich suche ein Geschenk für meine Frau.«
Das Mädchen lächelte. »Wie wär’s mit einem Slip?« schlug sie vor.
»Das wäre genau das Richtige. Haben Sie einen in Burgunderrot?« Er drehte sich halb um und beobachtete, wie die Polizisten vorbeischlenderten.
»Ich denke schon, aber ich muß erst im Lager nachsehen.«
Adam hatte die nächste Straßenecke erreicht, lange bevor die Verkäuferin mit »genau dem Richtigen« zurückgekommen war.
Die folgenden drei Kreuzungen brachte er ohne Zwischenfall hinter sich. Als nur mehr hundert Meter vor ihm lagen, spürte er, wie sein Herz pochte, als wollte es die Brust sprengen. An der letzten Ecke befand sich nur ein Polizist in Sichtweite, und der war offensichtlich eifrig damit beschäftigt, den Verkehr zu regeln. Adam drehte dem Beamten den Rücken zu. Er konnte die Grünfläche vor dem Konsulat sehen, die auf seinem Plan nur ein winziger grüner Klecks gewesen war. Auf der anderen Straßenseite sah er den Union Jack über einem blau gestrichenen Tor flattern.
Lauf nie die letzten Meter, schon gar nicht über offenes Gelände, hatte ihm sein Sergeant einst auf den Patrouillen im malaiischen Dschungel eingebleut. Adam überquerte die Straße also bewußt gemächlich. Am Rand des kleinen Parks, nur fünfzig Meter vom Hort der Sicherheit entfernt, blieb er stehen. Ein Polizist marschierte offensichtlich ziellos auf und ab; wahrscheinlich war er nur da, weil hier mehrere Konsulatsgebäude dicht nebeneinander lagen. Adam beobachtete ihn genau. Bis zum französischen Konsulat brauchte der Polizist zwei Minuten, dann drehte er um und spazierte gemütlich zurück. Hinter einem Baum an
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