Archer Jeffrey
Du weißt doch, daß ich so etwas nie tun könnte. Es war ein Mann namens Rosenbaum, nicht ich, Lawrence!«
»Rosenbaum? Adam, wer ist Rosenbaum?«
Adam versuchte, in ruhigem Ton zu sprechen. »Heidi und ich kamen heute morgen nach Genf, um etwas abzuholen, das mir Pa in seinem Testament vermacht hat; es war in einer Bank deponiert: ein Bild, wie sich herausstellte. Und als wir zum Flughafen zurückkehrten, schnappte sich dieser Rosenbaum Heidi, da er glaubte, sie hätte das Bild bei sich – was aber überhaupt keinen Sinn ergibt, denn diese verdammte Ikone ist nur zwanzigtausend Pfund wert.«
»Ikone?« wiederholte Lawrence.
»Ja, eine Ikone, die den heiligen Georg mit dem Drachen darstellt«, erwiderte Adam. »Doch das ist unwesentlich. Das Wesentliche ist …«
»Jetzt hör mir zu, hör mir bitte ganz genau zu!« unterbrach ihn Lawrence, »denn ich werde auch nicht ein einziges Wort wiederholen. Halte dich bis zum Morgen versteckt, und dann stell dich auf unserem Konsulat. Aber sieh zu, daß du heil hinkommst. Ich werde mich darum kümmern, daß der Konsul dich erwartet. Sei nicht vor elf dort, da ich jede Minute brauchen werde, um alles zu organisieren und dafür zu sorgen, daß das Personal des Konsulats entsprechend vorbereitet ist.«
Adam ertappte sich dabei, daß er zum erstenmal seit zwölf Stunden wieder lächelte.
»Hat der Mörder bekommen, worauf er aus war?« fuhr Lawrence fort.
»Nein, er hat die Ikone nicht bekommen«, erwiderte Adam, »nur eine Bonbonniere für meine Mutter …«
»Gott sei Lob und Dank! Laß dich nur ja nicht von der Schweizer Polizei erwischen, denn die ist der festen Überzeugung, du hättest Heidi umgebracht.«
»Aber …«, begann Adam.
»Keine Erklärungen! Sieh zu, daß du um elf auf dem Konsulat bist. Und jetzt legst du besser auf«, befahl Lawrence. »Elf Uhr, und komm ja nicht zu spät.«
»Schön«, erwiderte Adam, »und …«
Aber aus dem Hörer tönte nur noch ein lautes Tuten. Ein Glück, daß es Lawrence gab, überlegte Adam. Den Lawrence von früher, der keine langen Fragen zu stellen brauchte, weil er die Antworten ohnehin schon kannte. Verdammt nochmal, in was war er da nur hineingeraten? Noch einmal spähte Adam die Straße hinauf und hinunter. Noch immer war niemand zu sehen. Er stahl sich die zweihundert Meter zum Hotel zurück. Die Eingangstür war nach wie vor unversperrt, der Portier schlief, der Fernseher summte leise, der silberne Punkt leuchtete immer noch auf dem Bildschirm. Fünf Minuten nach vier lag Adam wieder im Bett. Er konnte nicht schlafen. Rosenbaum, Heidi, der Taxifahrer, der russische Herr bei Sotheby’s – so viele Teile eines Puzzles, und nichts paßte zusammen.
Was ihn aber am allermeisten beunruhigte: das Gespräch mit Lawrence – war das der Lawrence von früher?
An diesem Donnerstagmorgen trafen zwei Polizisten um zwanzig nach sieben beim Hotel Monarche ein. Sie waren müde, schlecht gelaunt und hungrig. Seit Mitternacht hatten sie dreiundzwanzig Hotels im Westen der Stadt erfolglos durchsucht. Sie hatten über tausend Anmeldescheine überprüft und sieben unschuldige Engländer geweckt, auf die die Beschreibung von Adam Scott nicht im entferntesten paßte.
Um acht hatten sie Dienstschluß, dann konnten sie nach Hause gehen, zu ihren Frauen, zum Frühstück. Aber zuvor mußten sie noch drei Hotels überprüfen. Als die Pensionswirtin sie in den Flur treten sah, kam sie aus dem Bürozimmer auf sie zugewatschelt, so rasch sie nur konnte. Sie haßte die Polizei und war bereit, jedem zu glauben, der behauptete, die Schweizer Bullen seien noch schlimmer als die deutschen. Im vergangenen Jahr war ihr zweimal eine Geldstrafe aufgebrummt worden, und einmal hatte man ihr sogar mit dem Gefängnis gedroht, da sie nicht jeden Gast polizeilich gemeldet hatte. Sie wußte, daß man ihr die Konzession entziehen und sie damit um ihren Lebensunterhalt bringen würde, wenn man sie noch einmal erwischte. Etwas langsam im Denken, versuchte sie sich nun zu erinnern, wer am Vorabend ein Zimmer genommen hatte. Acht Leute hatten sich eingetragen, aber nur zwei hatten bar bezahlt: der Engländer, der kaum ein Wort redete, Pemberton war der Name, den er auf den Anmeldeschein geschrieben hatte, der jetzt aber fehlte; und Maurice, der jedesmal mit einem anderen Mädchen auftauchte, wann immer er sich in Genf aufhielt. Sie hatte beide Scheine verschwinden lassen und das Geld eingesteckt. Maurice und das Mädchen waren um sieben gegangen, und sie hatte das Bett
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