Archer Jeffrey
gefragt, ob er es glauben sollte. Jedenfalls hatte man ihn mitten in der Nacht und in aller Stille zum Pentagon eskortiert. Man wollte Brunwelds Expertenmeinung hören, hatte man ihm versichert. War es möglich? Aber seit den Ereignissen von Kuba und Dallas hielt er alles für möglich.
Irgendwann einmal hatte Brunweld gelesen, das Pentagon habe unter der Erde genausoviele Stockwerke wie oberhalb. Jetzt konnte er bestätigen, daß dies unzweifelhaft den Tatsachen entsprach.
Sobald man ihm das Dokument ausgehändigt hatte, ließ man ihn allein. Man wollte nur eine einzige Frage beantwortet haben. Länger als eine Stunde studierte er die Klausel, dann rief er seine Gesprächspartner wieder zu sich. Seiner Meinung nach, erklärte er ihnen, sei das Dokument echt, und falls die Sowjets noch im Besitz ihrer ebenfalls im Jahre 1867 ausgestellten Kopie seien, dann steckte seine Wahlheimat – wie lautete nur dieser schreckliche Ausdruck? – tief in der Patsche.
Professor Brunweld begann den Ernst der Lage zu begreifen, als man ihm zu verstehen gab, daß er das Pentagon bis Montag nicht verlassen dürfe. Das überraschte ihn nicht, nachdem er das Datum am Ende des Vertrages gesehen hatte. Er hatte also drei einsame Tage vor sich, weit weg von seinen anspruchsvollen Studenten und seiner plappernden Frau. Nie wieder würde sich ihm eine bessere Gelegenheit bieten, sich gemütlich hinzusetzen und Prousts »Gesammelte Werke« zu lesen.
Romanow wußte, daß er es nicht riskieren konnte, noch viel länger neben dem Auto stehenzubleiben. Seine Aufmachung war viel zu auffällig; jeder, der aus dem Hotel kam, bemerkte ihn. Drei Minuten später warf er die grüne Kappe auf den Rücksitz, wies Waltschek an, das Auto irgendwie loszuwerden und zum sowjetischen Konsulat zurückzukehren.
Waltschek nickte. Er hatte Romanows Befehl bereits ausgeführt und die beiden britischen Agenten getötet, so gleichmütig, als wäre von ihm verlangt worden, einen Wasserrohrbruch zu reparieren. Nur ein einziges Detail war nicht nach Plan verlaufen, nämlich Waltscheks Versuch, die Uniform des toten Chauffeurs zuzuknöpfen, die er sich angezogen hatte. Romanow glaubte die Andeutung eines Grinsens auf Waltscheks Gesicht zu sehen, als er erkannte, wer den Chauffeur würde darstellen müssen.
Romanow drückte sich in den Schatten des Gebäudes und wartete noch eine halbe Stunde – dann war er überzeugt, daß der Plan vom Londoner Ende aus vermasselt worden war. Er hielt ein Taxi an und befahl dem Chauffeur, ihn zum sowjetischen Konsulat zu fahren. Das ungläubige Staunen des Taxifahrers beim Anblick seines Fahrgastes in Chauffeursuniform ignorierte er.
War es tatsächlich möglich, daß Scott ihn zum zweitenmal abgehängt hatte? Hatte auch er ihn unterschätzt? Sollte dies noch einmal vorkommen, würde Zaborski eine sehr überzeugende Erklärung von ihm verlangen …
Auf dem Weg zurück zum Konsulat blitzte immer wieder ein Bild durch Romanows Gehirn, aber es gelang ihm nicht, dessen Sinn zu erfassen. Irgend etwas war vor dem Hotel geschehen, das nicht so richtig gepaßt, das ihn irritiert hatte. Er war überzeugt, daß er dahinterkommen würde, wenn es ihm nur einen Augenblick lang gelänge, klar zu denken. Immer wieder ließ er die letzten dreißig Minuten vor seinem inneren Auge ablaufen, wie einen alten Film, der umgespult wird, aber einzelne Szenen blieben weiterhin unscharf.
Als Romanow im Konsulat eintraf, händigte ihm Waltschek ein großes Kuvert aus, das – wie er erklärte – soeben mit dem diplomatischen Kurier aus Moskau eingetroffen sei.
Romanow las das entschlüsselte Telex zweimal durch, ohne seine Bedeutung enträtseln zu können.
»Neue Informationen bezüglich des verstorbenen Colonel Gerald Scott, DCO, OBE, MC aufgetaucht, die sich als nützlich erweisen könnten, wenn Sie Ihr Wild stellen. Ausführlicher Bericht folgt morgen früh, AI.«
Romanow fragte sich, was das Hauptquartier wohl über Scotts Vater in Erfahrung gebracht hatte, das für ihn von Belang sein konnte. Es war nach wie vor seine erklärte Absicht, den Sohn dem Vater unverzüglich ins Jenseits nachzuschicken, ehe ein weiteres Schreiben aus Moskau eintraf.
Romanow dachte an seinen Vater und an die Fluchtmöglichkeit, die er ihm mit der Hinterlassenschaft gegeben hatte; er dachte auch daran, wie er ihn um einer Beförderung willen an den Staat verraten hatte. Jetzt mußte er
– um einer weiteren Beförderung willen – Scott töten und die Ikone nach Hause
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