Archer Jeffrey
half ihm, ein ernstes Gesicht zu wahren.
»In diesem Jahr wurde ich zum Präsidenten der ISV gewählt, der Höhepunkt meiner Karriere im Senfgeschäft, gewissermaßen, und – wenn ich das so sagen darf – auch eine Ehre für Colman’s, den besten Senf der Welt«, fügte Jim hinzu, so als sagte er es wenigstens hundertmal am Tag. »Als Präsident muß ich die Sitzungen leiten und den Vorsitz bei dem jährlichen Festbankett führen. Heute abend werde ich eine Begrüßungsrede an die Delegierten aus aller Welt halten.«
»Ist ja hochinteressant!« stieß Adam hervor und zuckte zusammen, als der Wagen über ein Schlagloch holperte.
»Allerdings«, setzte Jim seine Erläuterungen fort. »Die Leute haben ja keine Ahnung, wie viele verschiedene Senfmarken es gibt.« Er machte eine kurze Pause und sagte dann: »Einhundertdreiundvierzig! Es läßt sich nicht abstreiten, daß die Franzmänner einige ganz ansehnliche Ansätze machen, und selbst die Deutschen sind besser als ihr Ruf, aber an Colman’s Senf kommt trotzdem keiner ran. Britische Qualität geht über alles, wie ich zu sagen pflege. Ist in Ihrer Branche wahrscheinlich genauso … Übrigens, in welcher Branche arbeiten Sie denn?«
»Ich bin in der Army«, sagte Adam.
»Was um alles in der Welt hat ein Soldat an der Schweizer Grenze verloren, noch dazu als Autostopper?«
»Kann ich ganz im Vertrauen mit Ihnen sprechen?«
»Aber klar!« antwortete Jim. »Wir Hardcastles können schon die Klappe halten.«
Zumindest seine Frau und seine Tochter können es, überlegte Adam; die beiden hatten bis jetzt kein Wort an ihn gerichtet.
»Ich bin Captain im Royal Wessex, zur Zeit auf NATOTruppenübung«, begann Adam. »Letzten Samstag wurde ich vor der italienischen Küste bei Brindisi abgesetzt, mit einem falschen Paß und zehn englischen Pfund, und bis Samstag mitternacht muß ich zurück in Aldershot in der Kaserne sein.« Als er den beifälligen Ausdruck sah, der nun auf Jims Gesicht erschien, hatte er das Gefühl, daß sogar Robin stolz auf ihn gewesen wäre. Mrs. Hardcastle drehte sich um, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen.
»Ich habe gleich gewußt, daß Sie Offizier sind, als Sie das erste Mal den Mund aufmachten«, sagte Jim. »Mich hätten Sie nicht täuschen können. Ich war im letzten Krieg Sergeant im Transport- und Versorgungskorps. Klingt nicht nach viel, aber auch ich habe mein Scherflein fürs Vaterland beigetragen. Waren Sie selbst schon im Einsatz, Dudley?«
»Ein wenig, auf Malakka!«
»Das habe ich leider verabsäumt«, meinte Jim bedauernd.
»Nach dem Krieg bin ich wieder ins Senfgeschäft eingestiegen.
Aber sagen Sie – weshalb ist es so schwierig für Sie, nach England zurückzukommen?«
»Etwa acht unserer Leute versuchen, Aldershot zu erreichen, aber an die tausend Amerikaner wollen uns dabei aufhalten …«
»Yankees!« schnaubte Jim verächtlich. »Die treten immer erst dann in einen Krieg ein, wenn wir eben dabei sind, ihn zu gewinnen. Nichts als Orden und Klimbim, der ganze Haufen. Nein, ich meine, gibt es irgendwelche echte Schwierigkeiten?«
»Ja, die Grenzpolizei wurde benachrichtigt, daß acht britische Offiziere versuchen, nach Frankreich zu gelangen, und die Schweizer würden uns mit Wonne daran hindern. Letztes Jahr haben es nur zwei von zwölf Offizieren bis zurück in die Kaserne geschafft«, ergänzte Adam, der allmählich in Fahrt kam. »Beide wurden innerhalb weniger Wochen befördert.«
»Diese Schweizer!« sagte Jim verächtlich. »Die sind noch ärger als die Amerikaner. Treten überhaupt nie in einen Krieg ein – sie sind glücklich, wenn sie beide Seiten gleichzeitig rupfen können. Die kriegen Sie nicht, mein Junge, glauben Sie mir! Dafür werde ich schon sorgen!«
»Wenn Sie mich heil über die Grenze bringen, Mr. Hardcastle, schaffe ich es auch bis nach Aldershot, dessen bin ich mir sicher.«
»Sie sind schon so gut wie dort, mein Junge!«
Das Lämpchen der Benzinuhr leuchtete rot auf. »Wie viele Kilometer können wir jetzt noch fahren?« fragte Romanow. »Ungefähr zwanzig, Genosse Major«, erwiderte der Wagenlenker.
»Dann schaffen wir es also noch bis zur französischen Grenze?«
»Vielleicht sollten wir sicherheitshalber stehenbleiben und auftanken«, schlug der Fahrer vor.
»Wir haben keine Zeit für Sicherheitsmaßnahmen«, antwortete Romanow. »Fahren Sie schneller!«
»Jawohl, Genosse Major«, sagte der Fahrer. Offenbar war es nicht der geeignete Moment, um darauf hinzuweisen, daß das Benzin nur noch
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