Archer Jeffrey
Zeitschriften zu vertreiben. Persönlichkeiten aus der Fleet Street, die ihn bisher geflissentlich übersehen hatten, luden ihn nun zum Lunch im Garricks ein, auch wenn sie – nach einer ausgiebigen Unterhaltung – nicht so weit gingen, ihm die Mitgliedschaft vorzuschlagen.
Am Ende des Jahres zahlte Armstrong das Darlehen von tausend Pfund zurück, und Colonel Oakshott gelang es nun nicht mehr, Hahn weitere Lügengeschichten über unentschlossene Kunden und die immer schwierigere Marktsituation aufzutischen. Oakshott war froh, daß Hahn den neuen Bentley nicht sehen konnte, den Armstrong sich zugelegt hatte, weil der Dodge offenbar nicht mehr standesgemäß war. Benson trug jetzt eine elegante graue Chauffeurslivree und gab sich derart herablassend, als hätte er zuvor jahrelang in den Diensten eines Lords gestanden. Armstrongs derzeit größtes Problem war, passende neue Büroräume und qualifiziertes Personal zu finden, um mit der raschen Expansion seines Unternehmens Schritt halten zu können. Als die Stockwerke über und unter seinem Büro frei wurden, unterzeichnete er umgehend die Mietverträge.
Beim jährlichen Treffen des Northstaffordshire Regiment im Cafe Royal stolperte Armstrong über Major Peter Wakeham. Er erfuhr, daß Peter eben erst aus der Armee entlassen worden war und im Personalbüro der Great Western Railway einen Job antreten wollte. Armstrong verbrachte den Rest des Abends damit, Peter von den rosigen Zukunftsaussichten bei Armstrong Communications zu überzeugen. Am darauf folgenden Montag trat Peter als Geschäftsführer in Armstrongs Dienste.
Sobald er sich eingearbeitet hatte, unternahm Armstrong Reisen in alle Welt – von Montreal nach New York, von Tokio nach Christchurch – um Hahn-Manuskripte zu verkaufen, und stets verlangte er immense Vorschüsse. Das Geld zahlte er auf Konten bei verschiedenen Banken ein, bis nicht einmal mehr Sally ganz sicher sein konnte, wie hoch die Einlagen der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt waren und auf welchen Banken sie lagen. Wann immer Dick zurück in England war, stellte er fest, daß es seine Mitarbeiter aufgrund der Personalknappheit nicht mehr schafften, die ständig steigende Zahl von Bestellungen zügig zu bearbeiten. Und Charlotte wurde es leid, sich von Dick bei seinen immer selteneren Besuchen zu Hause anhören zu müssen, wie groß die Kinder geworden seien.
Als Armstrong das Angebot erhielt, ein ganzes Bürohaus in der Fleet Street zu mieten, griff er sofort zu. Die neue Umgebung überzeugte selbst die skeptischsten Kunden vom Erfolg des Unternehmens. Gerüchte über Armstrongs Expansionskurs gelangten auch nach Berlin, doch Hahns Briefe mit der Forderung, ihm detaillierte Verkaufszahlen mitzuteilen, ihm Einblick in sämtliche Überseeverträge zu geben und ihm beglaubigte Kopien der Verträge zukommen zu lassen, wurden hartnäckig ignoriert.
Colonel Oakshott erhielt die undankbare Aufgabe, Hahns wachsendes Mißtrauen auszuräumen, was Armstrongs Behauptung betraf, das Unternehmen habe Schwierigkeiten, auch nur die laufenden Kosten zu decken. Oakshott wurde zunehmend wie ein Botenjunge behandelt, obwohl er erst vor kurzem zum stellvertretenden Vorsitzenden ernannt worden war. Doch selbst nachdem Oakshott mit seiner Kündigung und Hahn über seine Londoner Anwälte mit der Auflösung ihrer Partnerschaft gedroht hatten, blieb Armstrong völlig ungerührt. Solange die Briten den Deutschen die Einreise verwehrten, konnte Hahn unmöglich herausfinden, wie groß das Armstrong-Imperium inzwischen geworden war und wieviel seine Fünfzig-Prozent-Beteiligung an den Armstrong Communications tatsächlich ausmachte.
Doch schon wenige Wochen, nachdem Winston Churchills Regierung erneut an die Macht gelangte, wurden alle Reiseeinschränkungen für deutsche Staatsbürger aufgehoben. Es überraschte Armstrong nicht, als er von Colonel Oakshott erfuhr, daß die erste Auslandsreise von Hahn und Schultz nach London führte.
Nach einer eingehenden Konsultation mit einem Kronanwalt im Gray’s Inn nahmen die beiden Deutschen sich ein Taxi zur Fleet Street, um der Armstrong Communications einen Besuch abzustatten. Hahns angeborener Sinn für Pünktlichkeit hatte ihn auch im fortgeschrittenen Alter nicht verlassen. Sally kam den beiden Herren am Empfang entgegen und führte sie hinauf zu Dicks riesigem neuem Büro. Sie hoffte, die unentwegte Betriebsamkeit im gesamten Gebäudekomplex würde die beiden Herren gebührend beeindrucken.
Hahn und Schultz
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