Archer Jeffrey
setzen. Statt dessen nutzte er die nächste Stunde, sich auf dem Schiff umzusehen. Schließlich landete er im Queen’s Grill.
Als der Chefsteward den großen, leeren Speisesaal betrat, in dem für das Abendessen gedeckt wurde, mußte er beim Anblick des unpassend gekleideten Mannes unwillkürlich lächeln. Offenbar hatte dieser Passagier sich auf das falsche Deck verirrt. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?« fragte er und war bemüht, jede Herablassung aus seiner Stimme fernzuhalten.
»Das hoffe ich sehr«, antwortete Townsend. »Ich bin erst vor kurzem an Bord gekommen, und jetzt interessiert es mich natürlich, welchen Tisch Sie fürs Dinner für mich ausgewählt haben.«
»Dieses Restaurant ist nur für Passagiere der ersten Klasse, Sir.«
»Dann bin ich ja richtig«, stellte Townsend fest.
Der Steward sah nicht sehr überzeugt aus. »Ihr Name, Sir?« erkundigte er sich.
»Keith Townsend.«
Der Steward überprüfte die Liste der Passagiere erster Klasse, die in Kingston an Bord gekommen waren. »Sie sitzen an Tisch acht, Mr. Townsend«, sagte er.
»Ist das zufällig auch Mrs. Margaret Sherwoods Tisch?«
Wieder schaute der Steward nach. »Nein, Sir. Mrs. Sherwood sitzt an Tisch drei.«
»Wäre es möglich, daß Sie mich ebenfalls an Tisch drei setzen?« fragte Townsend.
»Ich fürchte, nein, Sir. Von Tisch drei hat in Kingston niemand das Schiff verlassen.«
Armstrong holte seine Brieftasche hervor und nahm einen Hundertdollarschein heraus.
»Nun, ja«, sagte der Steward, »vielleicht, wenn ich den Erzdiakon an den Kapitänstisch setze, wäre das Problem gelöst.«
Townsend lächelte und wandte sich zum Ausgang.
»Verzeihung, Sir. Hatten Sie gehofft, neben Mrs. Sherwood sitzen zu können?«
»Das wäre ausgesprochen günstig«, antwortete Townsend.
»Es könnte allerdings peinliche Folgen haben. Sie müssen wissen, daß Mrs. Sherwood bereits die ganze Fahrt mitgemacht hat. Wir mußten sie schon zweimal an einen anderen Tisch setzen, weil ihr die Tischnachbarn nicht zusagten.«
Townsend holte seine Brieftasche zum zweitenmal hervor. Augenblicke später verließ er den Speisesaal mit der Versicherung, daß er neben der Dame sitzen würde, auf die er es abgesehen hatte.
Bis Keith sich wieder zu seiner Kabine begab, kehrten seine Mitpassagiere allmählich an Bord zurück. Er duschte, zog sich zum Dinner um und las noch einmal die Kurzbiographie, die Kate von Mrs. Sherwood zusammengestellt hatte. Kurz vor acht stieg er zum Speisesaal hinunter.
Ein Paar saß bereits an Tisch drei. Der Herr erhob sich sofort und stellte sich als »Dr. Arnold Percival aus Ohio« vor. Er gab Townsend die Hand. »Und das ist meine liebe Frau Jenny – ebenfalls aus Ohio.« Er lachte schallend.
»Keith Townsend«, erwiderte Keith. »Ich bin aus…«
»Australien, wenn ich mich nicht irre, Mr. Townsend«, sagte der Doktor. »Wie schön, daß man Sie an unseren Tisch gesetzt hat. Ich bin erst vor kurzem in den Ruhestand gegangen, und Jenny und ich haben uns versprochen, einige Jährchen auf Kreuzfahrt zu gehen. Was führt Sie an Bord?« Bevor Townsend antworten konnte, traf ein zweites Paar am Tisch ein. »Das ist Keith Townsend aus Australien«, erklärte Dr. Percival. »Erlauben Sie, daß ich Sie mit Mr. und Mrs. Osborne aus Chicago in Illinois bekannt mache.«
Sie hatten einander eben die Hand gegeben, als der Doktor sagte: »Guten Abend, Mrs. Sherwood. Darf ich Ihnen Keith Townsend vorstellen?«
Keith wußte aus Kates Biographie, daß Mrs. Sherwood siebenundsechzig Lenze zählte, doch es war offensichtlich, daß sie viel Zeit und Geld darauf verwendet hatte, diese Tatsache zu vertuschen. Keith bezweifelte, daß sie je eine Schönheit gewesen war, aber die Beschreibung »gut erhalten« drängte sich ihm unwillkürlich auf. Ihr Abendkleid war modisch, auch wenn Keith der Ansicht war, daß es ein paar Zentimeter länger hätte sein dürfen. Keith lächelte sie an, als wäre sie fünfundzwanzig Jahre jünger.
Kaum hörte Mrs. Sherwood Townsends Akzent, vermochte sie ihre Mißbilligung nur mühsam zu verbergen; dann aber kamen zwei weitere Passagiere kurz hintereinander an den Tisch und lenkten die Dame ab. Den Namen des Generals verstand Townsend nicht, doch die Frau stellte sich als Claire Williams vor und setzte sich an die gegenüberliegende Seite des Tisches neben Dr. Percival. Townsend lächelte sie an, doch die Frau nahm es gar nicht zur Kenntnis.
Noch ehe Keith sich gesetzt hatte, fragte Mrs. Sherwood unwirsch, wieso der Erzdiakon offenbar
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