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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imperium
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in seinem MG zu schlafen.
An der inzwischen vertrauten Haltestelle sprang er aus der Straßenbahn, rannte die Treppen hinauf und stand kurz vor neun am Empfang. Diesmal ließ man ihn – mit denselben Zeitungen als Lektüre – zwanzig Minuten warten, bevor die Sekretärin des Direktors sich mit verlegener Miene an ihn wandte.
»Tut mir sehr leid, Mr. Townsend«, erklärte sie. »Captain Armstrong mußte völlig unerwartet nach England fliegen. Aber Lieutenant Wakeham, seinem Stellvertreter, wird es ein Vergnügen sein, sich mit Ihnen zu unterhalten.«
Keith verbrachte fast eine volle Stunde mit Lieutenant Wakeham, der ihn immer wieder »alter Junge« nannte, ihm erklärte, weshalb er keine Erlaubnis bekommen könne, sich in Spandau umzusehen, und Witze über Don Bradman riß. Als Keith den Lieutenant verließ, hatte er das Gefühl, mehr über die aktuelle Situation des Kricketsports in England erfahren zu haben als über die Zustände in Berlin. Den Rest des Tages schaute er sich im amerikanischen Sektor um und blieb immer wieder stehen, um sich mit GIs an Straßenecken zu unterhalten. Die amerikanischen Soldaten erzählten ihm voller Stolz, daß sie ihren Sektor niemals verließen und auch nicht die Absicht hätten – erst dann, wenn es zurück in die Staaten ging.
Am Spätnachmittag rief Keith in der Werkstatt an. Der englischsprechende Mechaniker versprach ihm, daß er seinen Wagen morgen abend abholen könne.
Am nächsten Tag fuhr Keith mit der Straßenbahn in den russischen Sektor. Er stellte sehr schnell fest, wie sehr er sich mit seiner Annahme getäuscht hatte, daß hier alles ein bißchen besser aussehen würde. Der Labour Club an der Universität zu Oxford würde gewiß nicht glücklich sein zu erfahren, daß die Schultern der Ostberliner noch gekrümmter waren, ihre Köpfe noch gebeugter und ihre Schritte noch langsamer als die ihrer Mitbürger in den Sektoren der westlichen Alliierten und daß die Leute offenbar nicht einmal miteinander redeten, geschweige denn zu Keith. Auf dem Hauptplatz war eine Statue Hitlers durch eine noch größere Lenins ersetzt worden, und steinerne Standbilder Stalins beherrschten jede Straßenecke. Nachdem Keith mehrere Stunden durch trostlose Gassen mit Läden ohne Waren und Kunden geschlendert war und nirgends ein Restaurant oder auch nur eine kleine Kneipe entdeckt hatte, kehrte er in den britischen Sektor zurück.
Er beschloß, am nächsten Morgen nach Dresden zu fahren. Vielleicht würde er mit seinem Auftrag etwas früher fertig; dann könnte er möglichwerweise noch zwei Tage in Deauville verbringen und seine schwindenden Finanzen aufstocken. Er pfiff vor sich hin und sprang auf eine Straßenbahn, die ihn zur Werkstatt brachte.
Der MG wartete auf dem Hof und sah wie neu aus. Jemand hatte ihn sogar gewaschen und poliert, so daß die rote Motorhaube im Abendlicht schimmerte.
Der Mechaniker reichte Keith den Schlüssel, und er setzte sich hinters Lenkrad und drehte die Zündung. Der Wagen sprang sofort an. »Großartig«, lobte er.
Der Mechaniker bestätigte es mit einem Nicken. Als Keith wieder ausstieg, zog ein anderer Mechaniker den Schlüssel aus dem Zündschloß.
»Wieviel bekommen Sie?« Keith öffnete seine Brieftasche.
»Zwanzig Pfund«, antwortete der englischsprechende Mechaniker.
Keith wirbelte herum und starrte ihn an. »Zwanzig Pfund?« entrüstete er sich. »Aber soviel habe ich nicht! Ich hab’ Ihnen doch schon dreißig Shilling gegeben! Ich habe für den ganzen verdammten Wagen nur dreißig Pfund bezahlt!«
Das schien den Mechaniker nicht zu beeindrucken. »Wir mußten die Kurbelwelle austauschen, einige Teile für den Vergaser selbst anfertigen und ihn dann wieder zusammen- und einbauen. Und dann die ganze Arbeit an der Karosserie! Was meinen Sie, wie schwer es war, an Ersatzteile zu kommen. In Berlin ist so ein Luxus zur Zeit kaum gefragt. Zwanzig Pfund«, wiederholte er.
Keith nahm sein Geld aus der Brieftasche und zählte es. »Wieviel ist das in Reichsmark?«
»Wir nehmen keine Mark«, wehrte der Mechaniker ab.
»Warum nicht?«
»Die Briten haben uns vor Falschgeld gewarnt.«
Keith gelangte zu der Einsicht, daß es an der Zeit war, eine andere Taktik zu versuchen. »Das ist ja ungeheuerlich!« rief er. »Ich werde mir überlegen, ob ich Sie anzeigen soll, damit man Ihre Werkstatt schließt!«
Die Drohung ließ den Deutschen völlig kalt. »Sie mögen ja den Krieg gewonnen haben, mein Herr, aber das bedeutet noch lange nicht, daß Sie Ihre Rechnung

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