Archer Jeffrey
zwei Wochen und lassen
es dann wie einen unverbindlichen Besuch aussehen. Wenn Sie
zu rasch in den russischen Sektor fahren, wird Tulpanow mit
Sicherheit mißtrauisch. Selbstverständlich gehört Mißtrauen zu
seinem Job, aber warum sollten wir ihn darin bestärken?
Melden Sie sich morgen früh um acht in meinem Büro in der
Franklinstraße. Dann sorge ich dafür, daß Sie alles erfahren,
was Sie wissen müssen.«
Die nächsten zehn Vormittage verbrachte Armstrong beim
britischen Abschirmdienst, wo man ihn in die alltägliche Arbeit
dieser Organisation einweihte. Rasch wurde offensichtlich, daß man Dick als Soldaten betrachtete, der nicht auf herkömmlichem Weg in die Armee aufgenommen worden war. Schließlich kannte er England nur aus dem Übergangslager in Liverpool, seiner kurzen Dienstzeit als gemeiner Soldat im Pionierkorps, seinem Aufstieg im North Staffordshire Regiment und einer nächtlichen Reise nach Portsmouth, bevor er nach Frankreich übergesetzt worden war. Die meisten Offiziere, die Armstrong beim Abschirmdienst ihr Wissen vermittelten, hätten für die von ihnen erwählte Offizierslaufbahn eine Ausbildung in Eton, Trinity und dem Gardekorps als erforderlich erachtet. »Zum Glück für England ist er keiner von uns«, murmelte Forsdyke dankbar seufzend beim Lunch mit seinen Kameraden. Sie hatten nicht einmal in Erwägung
gezogen, Armstrong aufzufordern, bei ihnen Platz zu nehmen. Dennoch besuchte Captain Armstrong zehn Tage später den
russischen Sektor unter dem Vorwand, Ausschau nach
Ersatzteilen für die Druckmaschinen des Telegraf zu halten.
Sobald er sich vergewissert hatte, daß seine Verbindungsleute
die benötigten Teile nicht hatten – wie er natürlich schon zuvor
wußte –, begab er sich zum Leninplatz und suchte Tulpanows
Büro.
Der Eingang des riesigen grauen Gebäudes, den man durch
einen Torbogen an der Nordseite des Platzes erreichte, war
alles andere als eindrucksvoll, und die Sekretärin, die allein in
einem schäbigen Vorzimmer im zweiten Stock saß, ließ
keineswegs darauf schließen, daß ihr Chef ein erfolgreicher
Aufsteiger war. Sie betrachtete Armstrongs Visitenkarte und
schien sich gar nicht darüber zu wundern, daß ein Captain der
britischen Streitkräfte ohne Voranmeldung einfach bei den
Russen hereingeschneit kam. Schweigend führte sie Dick über
einen langen grauen Korridor, dessen abblätternde Wände mit
Bildern von Marx, Engels, Lenin und Stalin geziert waren, und
blieb schließlich vor einer Tür ohne Aufschrift stehen. Sie
klopfte an, öffnete und trat zur Seite, um Captain Armstrong an
sich vorbei in Tulpanows Büro treten zu lassen.
Dick war ehrlich überrascht, als er in ein luxuriös eingerichtetes Zimmer mit kostbaren antiken Möbeln und alten
Gemälden trat. Vor einiger Zeit hatte er General Templer
interviewt, den Militärgouverneur des britischen Sektors, doch
dessen Büro war viel weniger beeindruckend gewesen. Major Tulpanow erhob sich hinter seinem Schreibtisch und
ging seinem Besucher über den dicken Orientteppich entgegen.
Armstrong entging nicht, daß die Uniform des Majors viel
besser geschneidert war als seine.
»Willkommen in meinem bescheidenen Heim, Captain
Armstrong«, begrüßte ihn der russische Offizier. »So lautet
doch die korrekte englische Anrede, nicht wahr?« Er versuchte
gar nicht erst, sein Grinsen zu unterdrücken. »Ihr Timing ist
perfekt. Machen Sie mir die Freude, mit mir zu lunchen?« Armstrong nahm die Einladung dankend mit »Spasibo!« an.
Tulpanow zeigte sich über diesen Wechsel vom Englischen ins
Russische nicht überrascht und führte seinen Gast in ein
Nebenzimmer, wo bereits für zwei Personen gedeckt war.
Armstrong fragte sich verwundert, ob der Major seinen Besuch
erwartet hatte.
Als Dick gegenüber von Tulpanow Platz nahm, erschien ein
Diener mit zwei Tellern Kaviar; ein zweiter folgte mit einer
Flasche Wodka. Falls dies dem Zweck dienen sollte, Dick die
Befangenheit zu nehmen, verfehlte es völlig seine Wirkung. Der Major hob sein bis zum Rand gefülltes Glas und brachte
einen Trinkspruch aus: »Auf unseren zukünftigen Wohlstand!« »Auf unseren zukünftigen Wohlstand«, wiederholte Dick in
dem Moment, als die Sekretärin des Majors das Zimmer betrat.
Sie legte einen dicken bräunlichen Umschlag auf den Tisch. »Und wenn ich ›unseren‹ sage, dann meine ich auch
›unseren‹.« Der Major setzte sein Glas ab. Den Umschlag
beachtete er gar nicht.
Auch Armstrong stellte sein Glas auf den Tisch, schwieg jedoch. Eine
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