Archer Jeffrey
russischen
Geheimdienst, »möchte ich Ihnen eine kleine Information
zukommen lassen, die Sie Ihren Freunden vom Abschirmdienst
mitbringen können.« Er zog ein Blatt Papier aus seiner
Brusttasche und schob es über den Tisch. Armstrong las es und
freute sich, daß er noch in Russisch denken konnte.
»Ich möchte fair zu Ihnen sein, Lubji, und will Ihnen
deshalb nicht verheimlichen, daß Ihre Leute dieses Dokument
bereits besitzen. Aber sie werden sich trotzdem freuen, seinen
Inhalt bestätigt zu sehen. Wissen Sie, etwas haben alle
Geheimdienstleute gemein: ihre Vorliebe für Bürokratie. Nur
wenn alles schriftlich niedergelegt ist, können Geheimdienstler
beweisen, wie wichtig ihr Job ist.«
»Und wie bin ich an dieses Ding herangekommen?«
Armstrong hielt das Papier in die Höhe.
»Ich fürchte, ich habe heute eine Aushilfssekretärin, die
nichts wegschließt, wenn sie ihr Zimmer verläßt.«
Dick lächelte, als er das Blatt Papier zusammenfaltete und in
seine Brusttasche steckte.
»Übrigens, Lubji, die Jungs von Ihrem Abschirmdienst sind nicht ganz so dumm, wie Sie vielleicht glauben. Hören Sie auf mich, und seien Sie vorsichtig. Wenn Sie sich entschließen, ins Spiel einzusteigen, werden Sie früher oder später unweigerlich vor der Frage stehen, welcher Seite Ihre Loyalität denn nun gehört, und falls die Briten – oder wir – herausfinden, daß Sie ein doppeltes Spiel treiben, wird man sich Ihrer entledigen,
ohne die geringsten Gewissenbisse.«
Armstrong spürte, wie sein Herz hämmerte.
»Wie ich schon sagte«, fuhr der Major fort, »brauchen Sie
sich nicht sofort zu entscheiden.« Er tippte auf den bräunlichen
Umschlag. »Ich kann ohne weiteres noch einige Tage warten,
bis ich Herrn Schultz die gute Nachricht mitteile.«
»Ich habe erfreuliche Neuigkeiten für Sie, Dick«, sagte Colonel Oakshott, als Armstrong sich am nächsten Morgen im Hauptquartier bei ihm meldete. »Ihre Entlassung wurde befürwortet. Es gibt keinen Grund mehr, weshalb Sie nicht in spätestens einem Monat wieder in England sein könnten.«
Der Colonel wunderte sich über Armstrongs keineswegs begeisterte Reaktion, führte es aber darauf zurück, daß der Captain momentan zu viele andere Dinge im Kopf hatte. »Allerdings wird Forsdyke nicht gerade erfreut sein, wenn er erfährt, daß Sie uns so bald nach Ihrer lohnenden Unterredung mit Major Tulpanow verlassen.«
»Vielleicht sollte ich auch gar nicht so schnell von hier weg
– jetzt, da ich eine Chance habe, Kontakte zum russischen Geheimdienst herzustellen.«
»Das ist verdammt patriotisch von Ihnen, alter Junge«, lobte der Colonel. »Verbleiben wir doch so, daß ich bei der Bearbeitung Ihrer Entlassungspapiere keinen Druck mehr ausübe, bis Sie mir einen kleinen Wink geben, daß der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
Charlotte lag Dick immer noch in den Ohren, wann sie Berlin denn endlich verlassen könnten. An diesem Abend erklärte sie ihm, wieso es plötzlich sehr wichtig für sie geworden war. Als Dick die Neuigkeit hörte, sah er ein, daß er so rasch wie möglich Schluß mit den Ausflüchten machen mußte. An diesem Abend ging er nicht aus, sondern saß mit Charlotte in der Küche und erzählte ihr von seinen Plänen, sobald sie sich in England ein Zuhause geschaffen hatten.
Am nächsten Vormittag fiel ihm ein guter Grund ein, den sowjetischen Sektor zu besuchen. Nach einigen nachdrücklichen Anweisungen von Forsdyke betrat Dick ein paar Minuten vor Mittag Tulpanows Büro.
»Wie geht es Ihnen, Lubji?« fragte der russische Geheimdienst-Major. Armstrong nickte nur als Antwort. »Und was noch wichtiger ist, mein Freund – haben Sie sich entschieden, für welche Partei Sie das Spiel eröffnen werden?«
Armstrong blickte ihn verwirrt an.
»Um mit den Engländern zurechtzukommen, müssen Sie mit Kricket vertraut sein – ein Spiel, das erst anfängt, wenn eine Münze geworfen wurde. Können Sie sich etwas Dümmeres vorstellen, als der anderen Seite eine Chance zu geben? Aber haben Sie die Münze bereits geworfen, Lubji? Das muß ich mich immer wieder fragen. Und falls ja, werden Sie schlagen oder werfen?«
»Bevor ich mich endgültig entscheide, möchte ich erst mit Frau Lauber sprechen«, entgegnete Armstrong.
Der Major stiefelte mit geschürzten Lippen im Zimmer umher, als würde er sich Armstrongs Ersuchen ernsthaft durch den Kopf gehen lassen.
»Es gibt da ein altes Sprichwort, das wohl nicht nur in England bekannt ist, Lubji: ›Wo ein Wille ist…‹«
Armstrong
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