Archer Jeffrey
verbringen, Charlotte zu erklären, weshalb es so lange dauerte, bis man seine Entlassungspapiere bearbeitet hatte, wo doch mehrere ihrer Freunde bereits nach Großbritannien zurückgekehrt waren. Armstrong befahl dem müde aussehenden Benson, ihn in den amerikanischen Sektor zu fahren.
Als erstes besuchte er Max Sackville, den er zu einer Pokerpartie begleitete, wo er zwei Stunden mitspielte. Armstrong verlor ein paar Dollar, schnappte dabei jedoch einige Informationen über Truppenbewegungen der Amerikaner auf, und daran war Colonel Oakshott bestimmt sehr interessiert.
Dick verließ Max, als er genug verloren hatte, um das nächste Mal wieder zum Pokern eingeladen zu werden. Dann schlenderte er über die Straße und eine Gasse entlang zu seinem amerikanischen Lieblingsclub, wo er sich zu einigen Offizieren gesellte, die ihre bevorstehende Heimkehr in die Staaten feierten. Mehrere Whisky später verließ Dick den Club mit weiteren nützlichen Informationen. Doch ohne zu zaudern, hätte er alles gegen einen Blick auf Laubers Testament getauscht. Dick fiel nicht auf, daß ein Mann in Zivil sich erhob und ihm auf die Straße folgte.
Auf dem Rückweg zu seinem Jeep hörte er, wie hinter ihm jemand »Lubji!« rief.
Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend hielt Dick mitten im Schritt inne. Er fuhr herum und sah einen Mann in seinem Alter, allerdings viel kleiner und schwerer als er. Der Unbekannte trug einen schlichten grauen Anzug, weißes Hemd und dunkelblaue Krawatte. In der unbeleuchteten Straße konnte Armstrong die Züge des Mannes nicht erkennen.
»Sie müssen Tscheche sein«, sagte Armstrong gelassen.
»Nein, Lubji, ich bin kein Tscheche.«
»Dann sind Sie ein verdammter Kraut.« Armstrong ballte die Fäuste und ging drohend auf ihn los.
»Schon wieder falsch.« Der Mann dachte gar nicht daran, zurückzuweichen.
»Was, zum Teufel, sind Sie dann?«
»Sagen wir einfach, ein Freund.«
»Ich kenne Sie überhaupt nicht«, brummte Dick. »Wie wär’s, wenn Sie mit Ihren Spielchen aufhören und mir sagen, was Sie von mir wollen?«
»Nichts weiter, als Ihnen helfen«, antwortete der Mann ruhig.
»Wobei? Und wie?« fuhr Dick ihn an.
Der Mann lächelte. »Indem ich Ihnen das Testament besorge, auf das Sie so versessen sind.«
»Das Testament?« fragte Dick nervös.
»Ah, wie ich sehe, konnte ich mich endlich Ihrer Aufmerksamkeit versichern.« Dick starrte den Mann an, der eine Hand in die Tasche steckte und eine Visitenkarte zum Vorschein brachte. »Besuchen Sie mich doch mal im russischen Sektor«, lud er Dick ein und reichte ihm die Karte.
In der Düsternis konnte Dick die Buchstaben auf der Karte nicht erkennen. Als er den Blick wieder hob, war der Mann in der Nacht verschwunden.
Erst eine Straße weiter brannten Laternen. Dick blieb stehen und las den Namen:
M AJOR S. T ULPANOW
Militärattaché
Leninplatz, russischer Sektor
Als Armstrong am nächsten Morgen Colonel Oakshott aufsuchte, berichtete er ihm alles, was am vergangenen Abend im amerikanischen Sektor geschehen war, und gab ihm Major Tulpanows Karte. Dick erwähnte allerdings nicht, daß Tulpanow ihn mit »Lubji« angeredet hatte. Oakshott machte sich im Schreibblock, der vor ihm lag, ein paar Notizen. »Sprechen Sie mit niemandem darüber, bis ich Erkundigungen eingeholt habe«, befahl er.
Kaum war er in seinem Büro, erhielt Dick zu seiner Verwunderung bereits einen Anruf von Oakshott. Der Colonel wünschte, daß er umgehend noch einmal ins Hauptquartier kam. Benson fuhr Dick rasch wieder quer durch den Sektor. Als Armstrong zum zweitenmal an diesem Vormittag Oakshotts Büro betrat, standen zwei Männer in Zivil zu beiden Seiten seines Vorgesetzten. Dick hatte sie nie zuvor gesehen. Sie stellten sich als Captain Woodhouse und Major Forsdyke vor.
»Sieht so aus, als hätten Sie einen Glückstreffer gelandet, Dick«, sagte Oakshott, noch ehe Armstrong dazu gekommen war, Platz zu nehmen. »Wie es scheint, ist Ihr Major Tulpanow beim russischen Geheimdienst. Wir halten ihn sogar für die Nummer drei im russischen Sektor. Man betrachtet ihn dort als einen der Aufsteiger des Jahres. Diese beiden Herren sind vom Abschirmdienst. Sie möchten, daß Sie Tulpanows Einladung annehmen und uns dann alles berichten, was Sie herausfinden können – bis hin zu seiner Zigarettenmarke.«
»Ich könnte ihn gleich heute nachmittag besuchen«, meinte
Armstrong.
»Nein«, wehrte Forsdyke entschieden ab. »Das wäre viel zu
auffällig. Es ist besser, Sie warten ein,
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