Archer Jeffrey
die ganze Badezimmertür einnahm. Er war Zoll für Zoll ein Captain der Royal Fusiliers im Ersten Weltkrieg, und die Ordensbänder des Militärverdienstkreuzes und der Frontabzeichen machten das Bild perfekt.
Nachdem er jede Einzelheit mit der gestohlenen Fotografie verglichen hatte, wurde Daniel zum ersten Mal unsicher, ja machte sich sogar Sorgen, ob er das Ganze auch wirklich würde durchziehen können. Doch wenn er es nicht tat … Er setzte sich auf die Bettkante und schaute auf die Uhr.
Eine Stunde verging, bevor er aufstand, tief Atem holte und seinen langen Trenchcoat überzog – fast das einzige Kleidungsstück, das er ohne Bedenken tragen durfte –, dann verschloß er die Tür hinter sich, ging zur Eingangshalle hinunter und durch die Drehtür hinaus. Dann ließ er sich von einem Taxi zum Chester Square fahren. Er bezahlte und blickte auf die Uhr. Fünfzehn Uhr siebenundvierzig. Er schätzte, daß es wenigstens zwanzig Minuten warten mußte, ehe die Bridgepartie zu Ende ging.
Von der inzwischen vertrauten Telefonzelle an der Ecke des Platzes konnte er sehen, wie die Damen Nummer 19 verließen. Nachdem er elf gezählt hatte, konnte er ziemlich sicher sein, daß Mrs. Trentham nun allein war, von den Dienstboten natürlich abgesehen. Aus dem Sitzungsplan des Unterhauses im Telegraph wußte er, daß Mrs. Trenthams Gemahl nicht vor zweiundzwanzig Uhr nach Hause kommen würde. Daniel wartete noch fünf Minuten. Dann verließ er die Telefonzelle und überquerte die Straße. Ihm war bewußt, daß er den Mut verlieren würde, wenn er auch nur einen Augenblick zauderte. Er schlug den Klopfer fest an die Tür und wartete, Stunden, wie ihm schien, bis der Butler endlich öffnete.
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Guten Tag, Gibson. Ich bin für Viertel nach vier mit Mrs.
Trentham verabredet.«
»Ja, selbstverständlich, Sir.« Wie Daniel sich ausgerechnet
hatte, würde der Butler annehmen, daß nur jemand, der sich
angemeldet hatte, seinen Namen kannte. »Würden Sie bitte mit
mir kommen, Sir?« fragte er, ehe er ihm den Trenchcoat
abnahm. Als sie die Tür des Salons erreichten, fragte Gibson:
»Wen darf ich melden?«
»Captain Daniel Trentham.«
Der Butler blickte ihn kurz bestürzt an, doch dann öffnete er
die Salontür und sagte: »Captain Daniel Trentham, Madam.« Mrs. Trentham stand am Fenster, als Daniel eintrat. Sie
drehte sich um, starrte den jungen Mann an, machte ein paar
Schritte auf ihn zu, hielt inne und ließ sich auf das Sofa fallen.
Um Himmels willen, werde nur nicht ohnmächtig! dachte Daniel, während er in der Mitte des Zimmers stehenblieb. »Wer sind Sie?« flüsterte sie schließlich.
»Wir wollen doch keine Spielchen spielen, Großmutter. Sie
wissen genau, wer ich bin«, sagte Daniel und hoffte, daß es
selbstsicher klang.
»Sie hat Sie geschickt, nicht wahr?«
»Wenn Sie mit ›sie‹ meine Mutter meinen, nein, das hat sie
nicht. Sie hat keine Ahnung, daß ich hier bin.«
Mrs. Trentham öffnete protestierend den Mund, sagte
jedoch nichts. Daniel verlagerte während des schier
unerträglich langen Schweigens das Gewicht von Fuß zu Fuß.
Sein Blick blieb an einem Militärverdienstkreuz hängen, das
auf dem Kamin stand.
»Also, was wollen Sie?« fragte Mrs. Trentham schließlich. »Ein Geschäft mit Ihnen machen, Großmutter.«
»Was soll das heißen, ein Geschäft?« Er bemerkte, daß sie
sich ein wenig gefaßt hatte. »Sie haben nichts in der Hand, was
Sie mir anbieten könnten«, fügte sie hinzu.
»O doch, Großmutter. Wissen Sie, ich bin gerade erst von
einer Reise nach Australien zurückgekommen.« Er machte eine
Pause. »Die sich als sehr aufschlußreich erwiesen hat.« Mrs. Trentham zuckte kaum merklich zusammen, doch sie
ließ ihn keinen Moment aus den Augen.
»Und was ich dort über meinen Vater erfuhr, war
keineswegs erfreulich. Ich möchte nicht in Einzelheiten gehen,
denn ich vermute, daß sie Ihnen ebenso gut bekannt sind wie
mir.«
Immer noch haftete ihr Blick auf ihm und allmählich fing
sie sich wieder.
»Außer natürlich, Sie möchten wissen, wo ursprünglich
beabsichtigt gewesen war, meinen Vater zu beerdigen – die
Familiengrabstätte in Ashurst war dafür jedenfalls nicht
vorgesehen.«
»Was wollen Sie?« wiederholte sie.
»Wie schon gesagt, Großmutter, ein Geschäft mit Ihnen
machen.«
»Ich höre.«
»Ich möchte, daß Sie Ihren Plan aufgeben, diese gräßliche
Mietskaserne in Chelsea Terrace zu bauen, und jeglichen
Einspruch gegen die Baugenehmigung
Weitere Kostenlose Bücher