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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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nähere
Einzelheiten über die Impressionistenauktion wissen wollte.
Aber da bei einer Ungewißheit immer Beckys Besorgnis die
Oberhand über Optimismus hatte, war sie die nächsten
sechsundzwanzig Stunden ziemlich beunruhigt.
Sie belästigte jedoch Charlie nicht damit, denn sie war
sicher, daß Mr. Baverstock auch ihn gebeten hätte, wenn es
erforderlich gewesen wäre. Ganz abgesehen davon hatte
Charlie so schon genug Probleme, als daß sie ihm noch eines
mehr aufhalsen dürfte.
Becky schaffte es nicht, etwas zu Mittag zu essen, und kam
einige Minuten vor der vereinbarten Zeit im Anwaltsbüro an.
Sie wurde sofort zu Mr. Baverstock geführt.
Er begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln, als wäre sie
eine entfernte Angehörige seiner großen Familie, und bot ihr
einen Sessel ihm gegenüber an seinem schweren
Eichenschreibtisch an.
Mr. Baverstock, schätzte Becky, war etwa fünfundfünfzig,
höchstens sechzig, hatte ein rundes, freundliches Gesicht und
schütteres graues Haar mit Mittelscheitel. Sein dunkler Rock,
die Weste darunter und die graugestreifte Hose und schwarze
Krawatte hätten zu jedem Anwalt in London gepaßt. Nachdem
er sich wieder gesetzt hatte, blickte er in eine Akte, die er vor
sich auf dem Tisch liegen hatte, dann setzte er seine Brille ab. »Lady Tramper«, begann er, »es ist sehr freundlich von
Ihnen, daß Sie sich Zeit genommen haben hierherzukommen.«
In den zwei Jahren, seit sie sich kannten, hatte er sie nicht ein
einziges Mal beim Vornamen genannt.
»Ich werde sofort zur Sache kommen«, fuhr er fort. »Einer
meiner Klienten war der verstorbene Sir Raymond Hardcastle.«
Becky fragte sich, weshalb er das nie zuvor erwähnt hatte, und
wollte schon etwas Entsprechendes sagen, als Mr. Baverstock
rasch hinzufügte: »Aber ich möchte betonen, daß Mrs. Gerald
Trentham nicht Klientin dieser Firma ist und es auch nie war.« Becky bemühte sich gar nicht, einen Seufzer der
Erleichterung zu unterdrücken.
»Sie sollen auch wissen, daß ich das Privileg hatte, Sir
Raymond dreißig Jahre lang als sein Anwalt beraten zu dürfen,
und tatsächlich war ich in den letzten Jahren seines Lebens
nicht nur sein Berater, sondern auch ein naher Freund. Ich sage
Ihnen das als Hintergrundinformation, Lady Trumper, denn
vielleicht können Sie dann, wenn Sie alles gehört haben, das,
was ich Ihnen sagen muß, besser verstehen.«
Becky nickte und wartete, daß Mr. Baverstock zur Sache
kommen würde.
»Einige Jahre vor seinem Tod machte Sir Raymond sein
Testament. Er teilte die Kapitalerträge aus seinem Nachlaß
zwischen seinen beiden Töchtern auf – ein Einkommen, das
dank einer umsichtigen Anlage seinerseits seit seinem Tod
beachtlich gestiegen ist. Seine älteste Tochter war Miss Amy
Hardcastle, die jüngere, wie Sie sicher wissen, ist Mrs. Gerald
Trentham. Dieses Einkommen ermöglicht den beiden Damen
einen Lebensstandard wie vor seinem Tod, wenn nicht einen
höheren. Aber …«
Wird er nicht endlich zur Sache kommen? fragte sich
Becky.
»… Sir Raymond entschied in weiser Voraussicht, daß das
Aktienkapital nicht angegriffen werden dürfe, nachdem er eine
Fusion seiner Firma, die sein Vater gegründet und die er so
erfolgreich ausgebaut hatte, mit einem seiner größten
Konkurrenten einging. Sie müssen wissen, Lady Trumper, Sir
Raymond fand, daß kein Mitglied seiner Familie imstande sein
würde, seinen Platz als nächsten Vorsitzenden von Hardcastle
auszufüllen. Er hielt weder seine Töchter, noch seine Enkel –
über die ich gleich noch mehr sagen muß – für fähig, eine
große Firma zu leiten.«
Der Anwalt putzte seine Brille mit einem Taschentuch, das er aus seiner Jackentasche zog, und blinzelte kritisch durch die
Gläser, ehe er weiterredete.
»Sir Raymond hatte keine Illusionen, was seine Familie
anbelangte. Seine ältere Tochter, Amy, war eine sanfte,
menschenscheue Dame, die ihren Vater während seiner letzten
Jahre aufopfernd und liebevoll pflegte. Nach Sir Raymonds
Tod zog sie aus dem Vaterhaus in ein kleines Hotel an der
Küste, wo sie bis zu ihrem Tod letztes Jahr wohnte.
Sir Raymond fand, daß seine jüngere Tochter, Ethel
Trentham – lassen Sie mich das so delikat formulieren, wie ich
kann – vielleicht den Boden der Tatsachen unter ihren Füßen
verloren hatte und ganz sicher keine innere Verbindung mehr
zu ihren – wie soll man sagen – Wurzeln hatte. Jedenfalls weiß
ich, daß der alte Herr sehr unglücklich darüber war, daß er
keinen Sohn gehabt hatte, und so richtete er nach

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