Archer Jeffrey
Uhr morgens bestellte Charlie telefonisch ein Taxi, mit dem sie zum Eaton Square zurückkehrten, nachdem er mit Baverstock vereinbart hatte, daß dieser so rasch wie möglich ein Treffen mit der anderen Partei arrangieren sollte. Als sie zu Hause angelangt waren, war Cathy völlig erschöpft und ging gleich zu Bett, aber Charlie konnte nicht schlafen. Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und setzte seine Grübelei nach dem Bindeglied fort, denn er war sich des Ausmaßes der bevorstehenden juristischen Schlacht nur allzu bewußt, selbst wenn er sie siegreich beenden sollte.
Am nächsten lag fuhr er mit Cathy nach Cambridge und verbrachte einen sorgenvollen Nachmittag in Dr. Atkins’ kleinem Büro im Addenbrooke-Krankenhaus. Er fand, daß der Arzt sich viel mehr für Cathys Akte interessierte, die Mrs. Culver zur Verfügung gestellt hatte, als für die Tatsache, daß sie das Hardcastlesche Vermögen erben würde, wenn bewiesen werden konnte, daß sie mit Mrs. Trentham verwandt war.
Er ging langsam alle Angaben in der Akte mit ihr durch – die Malstunden, ihre Belobigungen und Verweise, die Tennisturniere, das Melbourner Lyzeum, die Universität von Melbourne. Doch die Reaktion war immer gleich: tiefes Nachdenken, aber nur vage Erinnerungen. Er versuchte es mit Assoziationen – Melbourne, Miss Benson, Kricket, Schiff, Hotel, erhielt darauf jedoch nur die Antworten: Australien, Barriere, Punkte zählen, Southampton, Arbeit.
›Punkte zählen war der einzige Begriff, der Dr. Atkins’ Interesse weckte, doch als er nachhakte, spiegelte Cathys Erinnerung an Australien sich nur in einer dürftigen Beschreibung des Lyzeums wider sowie in ein paar Erinnerungsfetzen an die Universität und an einen Jungen namens Mel Nicholls; dann sagte Cathy irgend etwas über eine weite Reise nach London. Sie konnte sich sogar noch an die Namen ihrer beiden Begleiterinnen erinnern – Pam und Maureen –, vermochte aber nicht zu sagen, woher sie gekommen waren.
Doch als sich das Gespräch dem Thema ›Melrose-Hotel‹ zuwandte, erinnerte sich Cathy an eine Fülle von Einzelheiten.
Gleiches galt für ihre Anfangszeit bei Trumper. Charlie konnte sämtliche Angaben Cathys voll und ganz bestätigen.
Die Schilderung ihres ersten Treffens mit Daniel – bis hin zu der Szene, als er die Tischkarten vertauscht hatte – trieb Charlie Tränen in die Augen. Aber auf ihre Eltern und die Namen Margaret Ethel Trentham und Miss Rachel Benson angesprochen, vermochte Cathy sich an rein gar nichts zu erinnern.
Um achtzehn Uhr war Cathy erschöpft. Dr. Atkins nahm Charlie zur Seite und sagte ihm, er halte es für höchst unwahrscheinlich, daß sich Cathy je wieder daran erinnern würde, wie ihr Leben ausgesehen hatte, ehe sie nach London gekommen war. Möglicherweise würde sie sich dann und wann unbedeutender Ereignisse entsinnen, doch gewiß keiner wesentlichen.
»Tut mir leid, ich war dir wohl keine große Hilfe«, sagte Cathy auf der Rückfahrt nach London.
Charlie nahm ihre Hand. »Wir sind noch nicht geschlagen«, versicherte er ihr, obwohl er allmählich das Gefühl hatte, daß Roberts allzu optimistisch gewesen war, als er die Chancen für einen Beweis, daß Cathy die rechtmäßige Erbin des Hardcastleschen Vermögens sei, auf höher als fünfzig zu fünfzig eingeschätzt hatte.
Becky erwartete sie zu Hause, und die drei aßen gemeinsam zu Abend. Charlie brachte den Besuch bei Dr. Atkins nicht zur Sprache, er berichtete Becky erst alles, nachdem Cathy zu Bett gegangen war.
Als Becky hörte, wie Cathy auf Dr. Atkins’ Fragen reagiert hatte, bestand sie darauf, Cathy von jetzt an in Ruhe zu lassen. »Ich habe Daniel durch dieses Weib verloren«, erklärte sie. »Ich möchte nicht auch noch Cathy verlieren. Wenn du weiter um Trumper kämpfen willst, dann, ohne sie mit hineinzuziehen.«
Charlie nickte, obwohl er hinausbrüllen wollte: Wie soll ich denn mein Lebenswerk davor bewahren, von einem anderen Trentham übernommen zu werden, wenn ich Cathy nicht dazu bringen kann, sich zu erinnern?
Kurz bevor er die Nachttischlampe ausknipsen wollte, läutete das Telefon. Es war Trevor Roberts, der aus Sydney anrief, aber seine Neuigkeiten halfen ihnen nicht weiter. Walter Slade hatte sich geweigert, irgendeine Aussage zu machen, die Ethel Trentham betraf. Er hatte nicht einmal das vorbereitete Dokument unterschrieben, daß er sie je chauffiert hatte. Charlie verfluchte sich erneut, daß er bei der Befragung des alten Yorkshire-Mannes so ungeschickt
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