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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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aus dem Bett, legte den Stoß Briefe auf ihren Frisiertisch und verschwand im Badezimmer. Kurz nach halb elf Uhr kehrte sie, gestärkt für die Anstrengungen des Tages, an den Frisiertisch zurück und machte sich daran, die Umschläge aufzuschlitzen. Zunächst mußte sie Zusagen und Absagen auf getrennte Haufen legen, ehe sie die Absender auf ihrer Einladungsliste abhaken bzw. ausstreichen konnte. Ihre Mutter würde dadurch bald die Anzahl abschätzen und mit der Tischordnung anfangen können. Unter den neunundzwanzig Briefen dieses Vormittags waren zweiundzwanzig Zusagen, u. a. von einer Prinzessin, einem Vicomte, zwei anderen Lords, einem Botschafter und von Colonel und Lady Hamilton. Es waren auch vier Absagen: zwei der Absender bedauerten, daß sie zu dem Zeitpunkt leider im Ausland sein würden; ein älterer Onkel litt an schwerer Diabetes; und die vierte Absenderin hatte eine Tochter, die so töricht gewesen war, für ihre Hochzeit dasselbe Datum wie Daphne anzusetzen. Als alle abgehakt bzw. ausgestrichen waren, wandte sich Daphne den fünf übrigen Briefen zu.
    Einer war von ihrer siebenundachtzigjährigen Tante Agatha, die in Cumberland wohnte und schon früher erklärt hatte, daß sie an der Hochzeitsfeier nicht teilnehmen könne, da sie befürchtete, die Reise nach London würde sich als zu anstrengend erweisen. Nun schlug Tante Agatha Daphne vor, sie doch gleich nach ihrer Hochzeitsreise mit Percy zu besuchen, da sie ihn gern kennenlernen wollte.
    »Ganz bestimmt nicht!« sagte Daphne laut. »Wenn ich wieder in England zurück bin, habe ich weit Wichtigeres zu tun, als greise Tanten zu besuchen.« Dann las sie das P. S.:
    Und während du in Cumberland bist, mein Liebling, wäre es eine gute Gelegenheit, mich bei meinem Testament zu beraten, weil ich nicht so recht weiß, welches Gemälde ich wem vermachen soll. Ich möchte vor allem den Canaletto in guten Händen sehen.
    Raffinierte alte Dame, dachte Daphne. Sie zweifelte nicht im geringsten daran, daß Tante Agatha an alle, auch die entferntesten Verwandten das gleiche Postskript schrieb, denn das garantierte ihr, daß sie selten ein Wochenende allein zubringen mußte.
    Das zweite Schreiben war von Michael Fishlock und Co., dem Spezialisten für das Ausrichten und die Versorgung von Festlichkeiten. Er hatte einen Voranschlag gemacht für Tee für etwa achthundert Gäste auf dem Vincent Square, unmittelbar vor der kirchlichen Trauung. Dreihundert Pfund erschienen Daphne exorbitant. Sie legte das Schreiben zur Seite, damit Vater sich später darum kümmern konnte. Auch zwei andere Briefe von Freundinnen an ihre Mutter legte sie zur Seite.
    Den fünften Brief hob sie sich bis zuletzt auf, denn die farbenprächtigsten Marken schmückten den Umschlag, und in der rechten oberen Ecke befand sich über 10 Anna die Königskrone in einem Oval.
    Sie öffnete den Umschlag und holte mehrere Blatt schweren Briefpapiers heraus; das oberste wies die Insignien der Königlichen Füsiliere auf.
    »Liebe Daphne«, begann der Brief. Sie blätterte rasch zur letzten Seite und las: »Dein ergebener Freund Guy«.
Sie kehrte zur ersten Seite zurück und begann Guys Brief mit ungutem Gefühl zu lesen.
    2. Bataillon
Royal Fusiliers
Wellington-Kaserne Poona
Indien
    15. Mai 1921
    Liebe Daphne,
ich hoffe, Du verzeihst mir, wenn ich mich aus langjähriger
Freundschaft unserer Familien an Dich wende. Es hat sich ein
Problem ergeben, von dem Du zweifellos weißt, und
dessentwegen ich mich jetzt leider an Dich um Hilfe und Rat
wenden muß.
Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief von Deiner Freundin
Rebecca Salmon …
    Daphne legte die ungelesenen Seiten auf ihren Frisiertisch und wünschte sich, der Brief wäre erst angekommen, nachdem sie bereits auf Hochzeitsreise war, statt ein paar Tage zuvor. Sie beschäftigte sich noch einige Zeit mit der Gästeliste, aber ihr war klar, daß sie schließlich den Brief doch weiterlesen müßte, um herauszufinden, was Guy von ihr wollte. Also griff sie wieder danach.
    … die mir mitteilte, daß sie schwanger sei und ich der Vater ihres Kindes wäre.
Ich möchte Dir von Anfang an versichern, daß nichts der Wahrheit ferner sein könnte, denn das einzige Mal, als ich in Deiner Wohnung übernachtete, hatten Rebecca und ich keine körperliche Berührung.
Ich möchte klarstellen, daß sie es war, die darauf beharrte, daß wir an diesem Tag in Deiner Wohnung zu Abend essen, obwohl ich bereits einen Tisch im Ritz für uns reserviert hatte.
Im Verlauf des

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