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Archer, Jeffrey

Archer, Jeffrey

Titel: Archer, Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abels Tochter
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blieb Florentyna sitzen und sah zu, wie Edward das Tintenfaß vom Schreibtisch nahm und dem Bären den Inhalt über den Kopf goß.
    Mademoiselle Mettinet, die nie dafür war, Mädchen und Jungen in derselben Klasse zu unterrichten, stürzte an den Tatort, aber zu spät; F.D.R. war bereits vom Kopf bis zu den Füßen königsblau und saß, umgeben vom Füllmaterial aus seinem abgetrennten Arm, auf dem Boden. Florentyna packte ihren geliebten Freund, und ihre Tränen vermischten sich mit der Tinte. Mademoiselle Mettinet marschierte mit Edward zum Direktor und befahl den Kindern, sich bis zu ihrer Rückkehr ruhig zu verhalten.
    Florentyna hockte auf dem Boden und versuchte vergebens, F.D.R. wieder mit seinen Innereien zu füllen, als ein blondes Mädchen, das Florentyna nie hatte leiden können, sich über sie beugte und höhnte: »Geschieht dir recht, dumme Polackin.«
    Die Klasse kicherte und ein paar Mädchen riefen:
    »Dumme Polackin, dumme Polackin!«
    Florentyna preßte F.D.R. an sich und betete, daß Mademoiselle Mettinet bald zurückkommen möge.
    Es schien Stunden zu dauern, obwohl die Lehrerin nach wenigen Minuten wieder in der Klasse war, gefolgt von Edward, der zerknirscht schien. Das Geschrei der Kinder hörte auf, als Mademoiselle Mettinet das Zimmer betrat, Florentyna aber wagte nicht einmal aufzusehen. In der unnatürlichen Stille ging Edward zu Florentyna und entschuldigte sich; seine Entschuldigung klang ebenso laut wie unehrlich. Dann kehrte er auf seinen Platz zurück und grinste.
    Als Miss Tredgold ihren Schützling an diesem Nachmittag abholte, war Florentynas Gesicht vom Weinen gerötet.
    Das Kind ging mit gesenktem Kopf, den königsblauen F.D.R. fest an dem einen Arm haltend. Bevor sie zu Hause waren, hatte Miss Tredgold die ganze Geschichte aus Florentyna herausgeholt. Florentyna bekam ihr Lieblings-nachtessen, Hamburger, gefolgt von Eiscreme – zwei Portionen, was ganz unüblich war – und wurde früh zu Bett gebracht. Nach einer Stunde, in der sie vergeblich versucht hatte, den blaugefärbten Bären mit Seife und Nagelbürste zu reinigen, mußte sich Miss Tredgold geschlagen geben. Als sie das feuchte Stofftier neben Florentyna legte, flüsterte eine leise Stimme unter der Decke hervor: »Danke, Miss Tredgold, F.D.R. braucht jetzt alle seine Freunde.«
    Als Abel kurz nach zehn heimkehrte – er kam jetzt fast jeden Abend so spät -, bat Miss Tredgold um eine private Unterredung. Erstaunt über ihre Bitte, führte sie Abel sofort in sein Arbeitszimmer. In den achtzehn Monaten seit ihrer Ankunft hatte Miss Tredgold Mr. Rosnovski jeden Sonntag zwischen zehn und halb elf, während Florentyna mit ihrer Mutter in der Kirche war, über die Ereignisse der Woche unterrichtet. Die Berichte waren immer klar und präzis gewesen; eher hatte sie die Leistungen des Kindes unterspielt.
    »Was ist los?« erkundigte sich Abel und versuchte, sorglos zu wirken; er befürchtete eine Kündigung. Miss Tredgold erzählte ihm, was sich in der Schule abgespielt hatte.
    Je länger er zuhörte, desto röter wurde sein Gesicht. Als Miss Tredgold geendet hatte, war Abel scharlachrot.
    »Unerträglich«, war sein erstes Wort. »Florentyna muß sofort die Schule verlassen. Ich werde morgen selbst Miss Allen aufsuchen und ihr sagen, was ich von ihr und ihrer Schule halte. Sie sind doch auch meiner Meinung, Miss Tredgold?«
    »Nein, Sir. Keineswegs.«
    Ihre Antwort klang ungewöhnlich scharf.
    »Wie bitte?« fragte Abel ungläubig.
    »Ich glaube, Sie sind ebenso schuld an der Sache wie Edward Winchesters Eltern.«
    »Ich? Warum?«
    »Sie hätten Ihrer Tochter längst erklären müssen, was es bedeutet, Polin zu sein, und welche Probleme sich daraus ergeben können. Sie hätten ihr von dem tiefverwurzelten Vorurteil der Amerikaner gegen die Polen erzählen müssen, das ich eben so verwerflich finde wie die englische Einstellung gegenüber den Iren und nicht weit entfernt von dem barbarischen Verhalten der Nazis gegenüber den Juden.«
    Abel schwieg. Schon sehr lang hatte ihm niemand mehr gesagt, daß er einen Fehler begangen hatte. »Haben Sie noch etwas dazu zu sagen?« fragte er, nachdem er sich erholt hatte.
    »Ja, Mr. Rosnovski. Wenn Sie Florentyna aus der Latin School nehmen, kündige ich sofort. Wenn Sie bei der ersten Hürde, der das Kind begegnet, davonlaufen, kann ich dem Kind niemals beibringen, mit dem Leben fertig zu werden. Meine Landsleute führen mit Hitler Krieg, weil wir zu lang geglaubt haben, er sei ein

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