Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)
oder ich jage dir jeden Zauber, der mir nur einfällt, auf den Pelz.“
Ravenor hob theatralisch die Hände nach oben und gab reumütig klein bei:
„Ich ergebe mich. Nicht schießen! Versprochen, kein weiteres Wort kommt über meine Lippen.“
Immer noch nicht versöhnt, setzte sich Eryn auf einen freien Stuhl:
„Wahrscheinlich weiß es eh schon jeder“, sagte er mehr zu sich selbst als zu den Anwesenden und fügte dann hinzu: „Darum, werter Freund, brechen wir so bald wie möglich auf. Und ich hoffe, wenn wir wieder zurückkommen, dann hat dieser sensationsgierige Haufen, der sich Garde nennt, die Geschichte wieder vergessen.“
Das ‚So-bald-wie-möglich‘ dauerte dann doch noch mehrere Tage. Meister Raiden bestand darauf, dass Eryn noch ein paar Ringe bezauberte, die sie dann mitnehmen sollten. Die Ringe waren prinzipiell auch von Unmagischen benutzbar, vorausgesetzt man beherrschte die richtige Intonierung. Es galt als ungeschriebenes Gesetz bei der Bezauberung, die Benutzbarkeit von der Intonierung abhängig zu machen. Das musste man nicht zwingend tun, aber wenn das Wissen über die gewählte Aktivierung verloren ging, dann konnte keiner den Gegenstand mehr gebrauchen. Ein Magier konnte dann vielleicht noch erkennen, was der Gegenstand theoretisch leisten konnte, praktisch fehlte aber der Aktivierungscode. Es verschaffte Eryn eine gewisse Genugtuung, dass Ravenor nun Intonierungen lernen musste und das unter den gestrengen Augen von Meister Raiden.
An der Küste von Goren gab es vier große Hafenstädte: Kraag, Bragas Bay, Tushafen und Seehorn und viele kleine Drecksnester. Auch wenn Rotbart den Ort damals als ‚Drecksnest‘ bezeichnet hatte, war dennoch die Überlegung, erst die vier großen Städte zu besuchen. Dort konnte man unauffälliger Erkundigungen einziehen und erregte selbst kein großes Aufsehen. In kleinen Ansiedlungen dagegen war es wie in der Garnison. In fünf Minuten wusste jeder alles.
So starteten sie in Seehorn und wollten sich dann die Küste hoch nach Norden entlangarbeiten. Lyesell wäre jetzt siebenundfünfzig Jahre alt geworden und das war eine lange Zeit, um Leute zu finden, die sich überhaupt noch an die damaligen Geschehnisse erinnern konnten.
Ein Tor brachte sie in die Nähe der Stadt Seehorn und schon an ihrem ersten Tag stolperten sie über den Namen Rotbart. Neben Ronne dem Nebler und Drei-Finger-Finn war Rotbart der beliebteste Schimpf- und Fluchname an der Küste. Was die Theorie vom Piraten sehr stark untermauerte.
Zwei Wochen später und drei Städte weiter, saß Eryn am Tisch in der Unterkunft und machte sich Notizen. Daneben wälzte sich Ravenor grunzend in seinem Bett und schlief seinen Rausch aus. Ihre Nachforschungen hatten sie durch die übelsten Spelunken der Häfen geführt und der junge Offizier hatte sich heldenmütig geopfert und Vertrauen zu den einheimischen und doch sehr misstrauischen Seemannsgesellen aufgebaut, was natürlich nie ohne große Mengen von Alkohol zu bewerkstelligen war.
‚Bestell mir einen Krug und trink mit mir, dann erzähl ich dir auch die wahre Geschichte von Rotbart, Ronne und den anderen Piraten auf See.‘ So lief das meistens ab. Dabei lenkte Ravenor das Gespräch und Eryn hielt sich im Hintergrund und las ungestört die Gedanken der Anwesenden. Sie bekamen eine Fülle von Geschichten zu hören. Märchen und Mythen, Magie und Seemannsgarn vom Feinsten. Da gab es alles. Riesige Meeresungeheuer, Seedrachen, die riesigste aller Wellen, den gewaltigsten aller Stürme, verzauberte Fische, Nixen, geheimnisvolles Leuchten in der Nacht, um die Schiffe auf ein Riff laufen zu lassen und, und, und...
In all diesen Erzählungen galt es das Körnchen Wahrheit zu finden und dazu notierte sich Eryn die Geschichten und verglich sie dann aufmerksam miteinander. Dabei zählte er, wie oft er sie zu hören bekommen hatte und wo Gemeinsamkeiten und wo Unterschiede lagen.
Inzwischen hatte Ravenor angefangen zu schnarchen. Dieses Scheiß Gesäge nervt. Hab ich nicht im Mindesten vermisst, seit ich aus der Stube raus bin .
Die Magie wurde bemüht und ein leichter Regen ging auf Ravenors Gesicht nieder, um ihn zu wecken. Der aber brabbelte etwas Unverständliches und drehte sich dann wieder um. Wenigstens hörte er dabei kurz auf zu schnarchen.
Also, was haben wir bisher zusammengetragen . Rotbart war Pirat. Aber nicht nur das. Er war zur seiner Zeit der Pirat aller Piraten gewesen. Der König unter den Geißeln der
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