Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)

Meere. Wobei das nur wenig mit einem König im eigentlichen Sinne zu tun hatte . Er herrschte nicht über die anderen Piraten. Bestenfalls konnte er die ‚Kollegen‘ dazu bewegen, mit ihm auf Beutezug zu gehen. Es gibt angeblich so eine Art Piratenrecht, bei dem ein Piratenkönig Urteile sprechen kann. Und immer wieder tauchte der Name dieser geheimnisvollen Insel namens ‚Traken‘ auf, doch herrschte darüber größte Uneinigkeit. Es gibt sie – es gibt sie nicht. Eine Insel, so groß wie der Kontinent, dann wieder nur eine kleine Ansammlung von Felsen im Wasser, versunken im Meer, verschluckt vom Nimrod, schwimmend auf der See, erscheint nur bei Vollmond, magisch verborgen.
    Und das Schlimmste an all diesen Behauptungen war, dass alle Seeleute von ihren eigenen Geschichten ungemein überzeugt waren. Mit anderen Worten, sie glaubten ihre eigenen Märchen. Frustriert seufzte Eryn.
    Also zurück zu den Fakten:
    Rotbart war kurz vor den Drachenkriegen König der Piraten geworden und behielt dieses würdevolle Amt noch circa zehn Jahre nach Ende des Kriegs. Sein Schiff war die Meermaid gewesen. Über sein Ableben gibt es sehr verschiedene Versionen und somit nichts Genaues. Dass er wohl umgekommen sein musste, zeigt sich daran, dass Ronne der Nebler mit seiner Drachenwind danach zum König der Piraten gekrönt wurde, gefolgt von Drei-Finger-Finn mit der Schicksalsweber. Dann muss der Platz mehrere Jahre vakant gewesen sein. Was eine friedliche und angenehme Zeit für Gorens Küsten bedeutete, bis sich ‚Der Mott‘, Kapitän der Goldlocke, einen Namen machte und nun als der größte aller Piraten gilt. Ravenor hatte wieder angefangen zu schnarchen.
    „Schrrrrrr, Schrrrr.“
    Über die wahre Herkunft der Piraten gibt es kaum Stichhaltiges. Sohn einer Hure und des Teufels persönlich .
    „Schrrrrrr, Schrrrr.“
    Das sind keine brauchbaren Hinweise .
    „ Schrrrrrr, Schrrr r .“
    Bei allen Göttern, geht einem das auf die Nerven!
    „ Schrrrrrr, Schrrr r . “ Das Schnarchen wurde immer lauter.
    „Ravenor! Hör auf damit“, schimpfte Eryn laut und zauberte einen Wasserschwall, den er gnadenlos auf den Schnarcher niederplatschen ließ. Was aber letztendlich den gewünschten Erfolg brachte. Unter Fluchen und Stöhnen bewegte sich das große Durcheinander aus Decken und Kissen, bis Ravenor zum Vorschein kam:
    „Bist du bescheuert? Oh, mein Kopf. Ohhh. Eryn, kannst du mir eine Erfrischung zaubern? Der Kater ist grausam.“
    „Hab ich doch gerade. War das nicht erfrischend genug?“, meinte Eryn boshaft, fügte dann aber an: „Nimm den Ring und mach’s selbst.“
    Unter weiterem Gestöhne kam Ravenor auf die Beine, schlurfte durchs Zimmer und suchte den Ring, begleitet von einem erheblichen Lärmpegel.
    Da hätte ich ihn auch weiter schnarchen lassen können .
    „Oh-var, oh-var“, ertönte die Intonierung, damit der Ring gnädig eine starke Erfrischung gewährte. Dieses nützliche Artefakt mitzunehmen war nicht auf Bestreben von Meister Raiden geschehen, sondern Eryns eigene Idee. Er war es leid, Ravenors ständiger Erfrischungszauberer zu sein.
    „Das ist schön, dass du wenigstens diese Intonierung meisterlich beherrschst.“
    Darauf ging Ravenor gar nicht ein: „Ah, schon viel besser.“ Er betrachtete sich kritisch im Spiegel. Bartstoppeln im Gesicht und mitgenommener Gesamteindruck durch die üppige Sauferei der letzten Tage.
    „Langsam finde ich, ist die Tarnung richtig gut gelungen. Bei Rotbarts lausigen Eiern...“ Ein beliebter Ausspruch unter den Seeleuten und nicht ganz so beliebt bei Eryn.
    „...ich wirke richtig authentisch.“
    „Mit anderen Worten: Du siehst abgeratzt aus und stinkst nach Alkohol. Hast du mal daran gedacht, etwas weniger zu trinken?“
    Mit ein paar Schritten kam Ravenor herüber und setzte sich an den Tisch.
    „Uh, die Spaßbremse spricht. Da kommt sicherlich wieder die Zeit, in der ich gezwungen werde, abstinent zu sein. Also koste ich es nun in vollen Zügen aus.“
    Wohl wahr, dachte Eryn, denn gestern hatte der Prinzenspross mächtig zugeschlagen.
    „Es wäre gut, wenn du wenigstens noch bei Verstand bleiben würdest. Gestern konnte ich nur mehr mit Mühe und Zauberei eine Schlägerei verhindern.“
    In Ravenors Hirn ratterten die kleinen Zahnräder der Erinnerung.
    „Echt, ist mir entfallen. Wann war das? In Kneipe drei?“
    Ach, so weit reicht seine Erinnerung gerade noch. „Nein, in Kneipe vier. Ich musste dich bezaubern und die Situation entschärfen.“
    Der