Argemí, Raúl
und ihnen das letzte Restchen Würde zu lassen, das ihnen neben dem Schmutz und der Niederlage geblieben war, machte er ihnen vergeblich Hoffnungen. Nein, er hasste ihn nicht nur deswegen. Da war auch etwas Persönliches. Das mit dem Spitznamen, den er nicht mehr loswurde: die Filzlaus.
In seiner Begeisterung darüber, ein geheimer Kämpfer zu sein, ein Held des schmutzigen Krieges, hatte er sich einen klangvollen, nicht zu übertriebenen Kriegsnamen ausgesucht, der seinen Stolz, der Bundespolizei anzugehören, zum Ausdruck bringen sollte. Er wollte sich »Federico« nennen. Doch das Chamäleon machte ihm einen Strich durch die Rechnung, als es ihn, wegen seiner Marotte, die Hände in den Hosentaschen zu vergraben und sich gedankenlos zu kratzen, Filzlaus nannte.
Ein durchdringendes und wiederkehrendes Geräusch bahnte sich einen Weg in seine Erinnerungen und brachte ihn zurück in den Raum mit dem Geruch nach Desinfektionsmittel. Irgendwo in dem Durcheinander auf dem Bett klingelte sein Mobiltelefon.
Es war die Polizei von Moquehue. Sie hatten an der chilenischen Grenze den gesuchten Pick-up gestoppt. Die Papiere waren gefälscht, und er war voll besetzt gewesen mit Indianern, die den Mund nicht aufmachten. Nein, ein weißer Mann sei nicht dabei gewesen. Nein, sie sollten nicht auf ihn warten, weil er wieder ins Krankenhaus müsse. Nein, es sei alles in Ordnung, aber er sei zu müde, um zurückzufahren.
Er hatte das Mobiltelefon bereits auf das Bett geworfen, als er erneut danach griff, um seinen Gesprächspartner von eben anzurufen.
Er musste einen Augenblick warten, bis die Person, der er den Auftrag erteilt hatte, ranging.
»Ich muss Sie um einen Gefallen bitten …«, lallte er mit schwerer Zunge, während sich das Zimmer um ihn zu drehen begann. »Sie haben die Unfallstelle von der Bajada de los Mallines gesehen … Sie haben den Toten doch nach Neuquén gebracht. Setzen Sie sich bitte mit jemandem dort in Verbindung, damit man umgehend seine Identität feststellt. Ja, natürlich, geben Sie mir so schnell wie möglich Bescheid. Nein, sicher bin ich mir nicht, es ist nur ein Verdacht, aber es könnte mit den Indianern zu tun haben. Ja, selbstverständlich, ich bin Ihnen etwas schuldig … keine Sorge, wir von der Bundespolizei merken uns so etwas.«
»Blöde Fettärsche«, murmelte er auf dem Weg ins Bad, wo er hoffte, sich übergeben zu können. Danach wollte er eine kalte Dusche nehmen. Er fasste den Entschluss im selben Moment, in dem er es aussprach: Er musste noch einmal ins Krankenhaus.
Als er sich des letzten Kleidungsstückes entledigt hatte, sah er auf einmal Mabel vor sich, die mit dem Gesicht zur Wand weinte, und sich selbst, wie er ihr eine Hand auf die Schulter legte. Doch die Erinnerung verlosch ganz plötzlich, als das eiskalte Wasser auf seinen Kopf prasselte.
Acht
Ich muss im Schlaf gestöhnt haben. Benommen sah ich die Krankenschwester, die etwas in die Infusion spritzte. Ein Blitz durchzuckte mich, und die Frau wurde zu einem chinesischen Schattenspiel, dessen Umrisse sich auf dem Journalisten abzeichneten, den sie selbst oder ihr Alter Ego aus dem Zimmer schubste.
Ich versuchte, meine Schläfrigkeit abzuschütteln, aber es gelang mir nicht. Ich hatte geträumt, ich sei geflogen und hätte dabei ängstlich auf dem Flügel eines grauen Flugzeugs gesessen. Ich bemühte mich, mich am glänzenden Metall festzuklammern, um nicht hinunterzufallen, meine Hände bluteten. Unten wartete ein bleiern schäumendes Meer mit tausend hungrigen Schlünden auf mich, und der Wind blies mir ins Gesicht und erstickte meine Schreie. Das Schwindelgefühl und die Überzeugung, dass mein Bett flog, führten zur Katastrophe und nahmen mir den Atem. Vielleicht waren die Worte der Dicken ein Teil meines Traums: »Er hat sich bewegt, Doktor, ich schwöre Ihnen, er redet und bewegt sich.«
Ich weiß nicht, was passiert ist, aber mir tut der ganze Körper weh, und allein mein Stolz hält mich davon ab, loszuheulen.
Ich muss durchhalten. Trotz der Überzeugung des netten Doktors, dass das Chamäleon hier gut versorgt wird, wird es ihnen bald wegsterben. Und ich muss unbedingt seine Geschichte erfahren, bevor das geschieht.
Ich brauche meine Hände, auch wenn sie ganz wund sind vom Metall des Flugzeugs, an das ich mich klammere, um nicht ins Leere zu stürzen.
Im Traum brach alles über mir zusammen. Als stürzten sämtliche Regale ein, und die Erzählungen des Chamäleons mischten sich mit den
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