Argeneau Vampir 16 - Der Vampir in meinem Bett
glaube, sie sind in Wahrheit viel toleranter, als du denkst.«
Christian schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, sie sind sehr altmodisch. Man würde mich nicht bloß enterben, die ganze Familie würde sich auch von mir abwenden, wenn das herauskäme.«
Carolyn legte die Stirn in Falten. Irgendwie konnte sie nicht so recht glauben, dass Marguerite und Gia sich von ihm abwenden würden. Bei Julius und den anderen war sie sich dagegen nicht ganz so sicher.
»Und genau deshalb rechne ich dir deine Bereitschaft hoch an, mir dabei zu helfen«, redete er weiter. »Ich werde auch versuchen, es für dich so unkompliziert wie möglich zu machen.«
So viel also zu ihrer Absicht, einen Rückzieher zu machen, dachte Carolyn. Das konnte sie jetzt vergessen. Aber bestimmt würde es auch gar nicht so schlimm werden, sagte sie sich. Ab und zu würden sie Händchen halten, vielleicht würde er mal den Arm um sie legen und ihr einen sexy Blick zuwerfen oder ihr tief in die Augen schauen, während er mit ihr redete. Damit konnte sie klarkommen. Es war schließlich nicht so, als würden sie sich ständig in der Gegenwart seiner Familie aufhalten. Und wenn sie nicht unter Beobachtung standen, konnten sie sich entspannen und sich ganz natürlich verhalten … was immer das auch sein mochte.
»Es ist sehr schön hier«, stellte Christian fest und blieb genau dort stehen, wo die Wellen, die an den Strand schlugen, ihn nicht erreichen konnten. Sein Blick war in die Ferne gerichtet.
»Ja«, stimmte sie ihm zu und genoss selbst auch die Aussicht. Das hier war wirklich der ideale Ort für Flitterwochen. Was bei ihr den Wunsch weckte, jemanden an ihrer Seite zu haben, der tatsächlich an ihr interessiert war, nicht aber …
»Darf ich dich küssen?«
Ruckartig drehte Carolyn den Kopf zu ihm um. »Wie bitte?«
»Alle an unserem Tisch beobachten uns. Sie erwarten mehr von uns, als nur hier zu stehen und aufs Meer hinauszusehen«, erklärte er und schaute aus dem Augenwinkel in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Carolyn wollte sich umdrehen, aber er bekam ihr Kinn zu fassen, um sie davon abzuhalten. Dann vergrub er seine Hand in ihren Haaren.
»Wenn du dich umdrehst, verrätst du ihnen, dass wir wissen, dass sie uns beobachten«, warnte er sie. »Julius ist sehr scharfsinnig. Außerdem ist er momentan sehr misstrauisch, fast so, als hätte ihm irgendwer etwas erzählt.«
Carolyn verzog das Gesicht.
»Es ist schon okay, wenn du nicht willst, dass ich dich küsse«, fuhr er verständnisvoll fort. »Es wäre zwar hilfreich, aber ich weiß, ich verlange da ziemlich viel von dir.« Nach kurzem Zögern schlug er vor: »Ich könnte dich aufs Ohr küssen. Das dürfte genügen, um Julius fürs Erste zufriedenzustellen. Ich …«
»Aufs Ohr«, sagte sie rasch, da sie davon überzeugt war, dass ein solcher Kuss nicht annähernd die Wirkung haben würde, wie wenn er sie auf den Mund küssen würde. Auf jeden Fall konnte sie vermeiden, irgendetwas Dummes zu tun, beispielsweise den Kuss zu erwidern, womit sie verraten hätte, was sie in Wahrheit für ihn empfand.
Carolyn glaubte bei ihm ein Lächeln zu sehen, aber angesichts der nächtlichen Dunkelheit ringsum, die von den Lampen auf der Restaurantterrasse nur unwesentlich erhellt wurde, konnte sie das nicht mit Sicherheit sagen. Er schob ihre Haare zur Seite, um ihr Ohr freizulegen, dann drückte er ihren Kopf ein wenig in eine Schräglage. Sekunden später berührten seine Lippen ihr Ohr, und Carolyn riss die Augen auf, als sich ihr eine völlig neue Welt der erogenen Zonen auftat und sie in einem Zug verschlang.
Oh Gott, das war unglaublich. Etwas tief in ihrem Inneren schien zu explodieren, und einen Moment später nahm sie nichts anderes mehr wahr als seine Lippen und seine Zunge an ihrem Ohr. Sie bekam kaum etwas davon mit, dass sie die Arme um ihn schlang, um sich festzuhalten, oder dass sie ihm instinktiv näher zu kommen versuchte.
»Vielen Dank«, flüsterte er und richtete sich auf.
Dass er nicht länger ihr Ohr küsste, empfand sie als so enttäuschend, dass sie fast davon überzeugt war, nie zuvor in ihrem Leben eine schlimmere Enttäuschung erlebt zu haben.
»Verdammt, ich muss mich wirklich dringend flachlegen lassen.« Die Worte waren ihr entglitten, noch bevor ihr Verstand überhaupt begriffen hatte, was sie da von sich geben wollte. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und sah Christian entsetzt an. Sie konnte es nicht fassen, dass sie so etwas gesagt hatte.
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