Arglist: Roman (German Edition)
in der Vorschule eingeschult, und die Lehrerin meinte, er sei der geborene Anführertyp.«
»Ich bin mir sicher, sie hat recht.«
»Ist doch irgendwie unglaublich. Da tötet ein Scheißkerl meinen Vater, aber seine Gene leben weiter.«
Marge klopfte an Deckers Türrahmen und trat, ohne auf eine Reaktion zu warten, in sein Büro. »Kaum zu fassen, dass ein Kerl mit dem Namen Jervis Wenderhole so schwer aufzuspüren ist.«
Decker zeigte auf einen Stuhl. »Sag’s mir noch mal: Wer ist Jervis Wenderhole?«
»Einer von Darnells ehemaligen Freunden.«
»Stimmt, der Rapper A-Tack.«
»Wenderhole leistet einen einzigartigen Beitrag auf Darlingtons Liste«, sagte Marge. »Er ist der Einzige, der nicht im Knast oder tot ist.«
»Da du ihn aber nicht auftreiben kannst, bleibt Letzteres als Frage im Raum stehen.«
»Ich habe ihn durch das Zentralregister des FBI laufen lassen. Er hat eine Akte, war aber schon lange kein böser Bube mehr. Eine Sterbeurkunde gibt’s nicht, also besteht Hoffnung.«
»Steht er nicht im Telefonbuch?«
»Nicht in dem von Los Angeles. Ich hab noch eins vom Valley, mit dem man über die Telefonnummer an die Adresse kommt, und bin auf der Suche nach so einem für South Central. Ich habe herausgefunden, dass Arlington, obwohl er auf die North Valley ging, zusammen mit Josephson und Wenderhole jeden Tag per Bus nach L.A. gebracht wurde – eine Strecke entsprach vierzig Kilometern! Ich dachte, obligatorische Busfahrten von Schulkindern seien als verfassungswidrig eingestuft worden.«
»Vor fünfzehn Jahren war das ein Freiwilligen-Programm. Viele Eltern nahmen daran teil, weil sie glaubten, ihren Kindern eine bessere Ausbildung zu ermöglichen, wenn sie auf eine weißere Schule gingen.«
»Ja, stimmt. Noch irgendeine zündende Idee, wie man ihn aufstöbern könnte?«
»Sagtest du nicht, Wenderhole war Rapper?«
»Ja, aber ich habe keine aktuelle CD von ihm gefunden.«
»Woher hattest du die Info?«
»Von einem seiner alten Freunde, der jetzt im Knast sitzt. Vielleicht war Banks ja sein Produzent. Das würde doch passen, oder?«
»Passen würde mir, zu wissen, wo Banks sich gerade aufhält.«
»Er hat keinen Nachsendeantrag hinterlassen?«
»Das nicht. Allerdings menschliches Blut in seiner Wohnung. Der Test war positiv.«
»Eieiei...« Marge musste sich setzen. »Viel?«
»Ich habe Blut unter einer Fußleiste gefunden, das von dort aus auf den Boden getropft sein muss.«
»Gibt es eine Möglichkeit, es Rudy Banks zuzuordnen?«
»Wir arbeiten daran, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass es von Rudy stammt. Der Wandanstrich ist neu, aber so neu nun auch wieder nicht. Und ich habe letzten Freitag noch mit Rudy gesprochen.«
»Vielleicht war das jemand, der sich als Rudy ausgegeben hat.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Decker, »aber Rudy erwähnte, dass er als Ersatz-Geschworener eingeteilt worden war. Ich habe das überprüft, und es stimmt. Banks war am Gericht von Los Angeles erst am Freitag dran.«
»Dann stellt sich die Frage, wessen Blut das ist«, folgerte Marge, »vielleicht das von Primo Ekerling?«
»Eine Möglichkeit.«
Oliver zeigte sein Gesicht in der offenen Tür. »Ich mach mich auf den Weg nach La Jolla.« Er sah Marge an. »Da du schon mal hier bist, willst du mitkommen?«
»Wer ist in La Jolla?«
»Jared Little, und als Bonus obendrauf darf ich noch mit Melinda Littles Eltern sprechen – Delia und Mark Defoe, die – dies nur nebenbei – mit ihrer Tochter zerstritten sind.«
»Das könnte interessant werden.« Marge stand auf und hängte sich ihre Handtasche über die Schulter. »Viel interessanter als das, was ich vorhatte. Klar komme ich mit.«
»Was hattest du geplant, Margie?«, wollte Decker wissen.
»Überhaupt nichts. Will hat Nachtdienst, Vega arbeitet ehrenamtlich für die Gemeinde, sie betreut Kids aus der Inner City am Computer, und ich habe nichts vor. Möchtest du, dass ich die Untersuchungen in Banks’ Wohnung weiterverfolge?«
»Nein, das mache ich selbst«, erwiderte Decker. »Aber danke für das Angebot.«
»Welche Untersuchungen?«, fragte Oliver.
»Ich klär dich auf der Fahrt auf. Jetzt bin ich erst mal am Verhungern. Lass uns irgendwo Sushi mitnehmen und im Auto essen.«
Oliver sah sie ungläubig an. »Wie soll ich bitte schön Sushi essen, während ich am Steuer sitze?«
»Ich füttere dich, Scottie.« Marge schüttelte den Kopf. »Ich wische dir sogar die Sojasauce vom Kinn.«
»Das klingt, als wäre
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