Arglist: Roman (German Edition)
und bereitete die Getränke geübt und schnell vor. Das kalte Bier ließ das Glas beschlagen, und das Mineralwasser blubberte in einem Kristallglas. »Bitte sehr.«
»Vielen, vielen Dank«, sagte Marge.
Oliver nahm einen Schluck und seufzte vor Genuss. »Also hat Ihr Enkel Ihren Ehemann so richtig müde gemacht.«
»Urenkel«, korrigierte ihn Delia. »Er ist so ein Lieber. Meistens schläft er, wenn wir hier sind. Heute hatte Nelson die Wahnsinnsidee, vor dem Schlafengehen Verstecken zu spielen. Der Kleine wurde so erst richtig aufgekratzt, den Großen hat es k.o. geschlagen. Ich musste dem Kleinen vier Bücher vorlesen, während der Große ohne Hilfestellung eingeschlafen ist.«
»Babysitten ist eine feine Sache, wenn man es nicht hauptberuflich machen muss«, meinte Oliver. »Das liebe ich so an meinen Enkelkindern. Ein paar Küsschen, Quatsch und Geschenke, und wenn sie dann so richtig aufgedreht sind, geht man nach Hause und schläft wohlig ein.«
»Wie viele Enkel haben Sie, Detective Oliver?«
»Fünf... vier Jungs und ein ganz kleines Mädchen. Sie ist wunderbar verrückt. Ich habe drei Söhne. Die ganze Familie hat zu viele Y-Chromosomen zu verteilen.«
»Das ist gar nicht so schlecht. Ich glaube, Jungs sind wesentlich einfacher als Mädchen. Zumindest ist das meine Erfahrung. Und Sie, Sergeant?«
»Eine Tochter. Sie ist auf dem College.«
Delia nickte und wandte sich wieder an Oliver. »Wie alt sind Ihre Enkel?«
»Der Älteste geht zur Highschool, und ich frage mich, wo die Zeit geblieben ist.«
»Das wird immer schlimmer, je älter man wird. Die Zeit vergeht nicht mehr, sie rennt einem davon. Ich schaue in den Spiegel und erkenne kaum das Gesicht der Frau, die mich anstarrt.«
Ein freundliches Gesicht, fand Marge. Warme braune Augen, die von einer Haut umgeben waren, die nur ein bisschen glatter war, als sie sein sollte. Der Schönheitschirurg hatte nicht übertrieben. »Noch mal vielen Dank, dass Sie Zeit für uns haben«, wiederholte Marge, »aber wir versuchen, den Fall Ihres verstorbenen Schwiegersohns wieder in Fahrt zu bringen.«
»Armer Ben... er war ein Schatz. Es gab nichts, was der Junge nicht konnte. Er strotzte vor Energie. Wir waren alle so...« Ein tiefer Seufzer. »Ich war am Boden zerstört. Mein Mann war am Boden zerstört. Die Kinder waren am Ende.«
»Und Melinda?«, fragte Marge.
Die alte Dame war in Gedanken noch ganz woanders. »Melinda?« Sie kam langsam in die Gegenwart zurück und konzentrierte sich auf Marge. »Sie brach zusammen, obwohl sie nie einen besonderen Grund brauchte, um sich gehen zu lassen. Melinda war schon immer ein empfindliches Kind gewesen, ein hübsches kleines Mädchen, und deshalb wurde sie verwöhnt, vor allem von ihrem Vater. Er betete sie an. Wir sind schon seit einer Weile zerstritten. Es bringt ihn fast um.«
»Ich bin mir sicher, dass es auch für Sie nicht einfach ist«, sagte Marge.
»Ich bin stärker als mein Mann.« Ihr gequälter Gesichtsausdruck strafte ihre Stärke Lügen. »Ich verstehe ihre Beweggründe, aber sie weigert sich, unsere zur Kenntnis zu nehmen. Und egal, was wir tun oder sagen, wir sind bei ihr einfach unten durch.« Die alte Frau schüttelte den Kopf. »Aber wir konnten ihre Sucht nicht länger finanzieren.«
»Wussten Sie von ihrer Spielleidenschaft bereits vor Bens Ermordung?«
»Kaum dass sie einundzwanzig wurde, waren wir uns darüber im Klaren. Genau wie Ben.«
»Er heiratete sie trotzdem?«, fragte Marge.
»Melinda war sehr hartnäckig und regelrecht hinter ihm her. Ben sah sehr gut aus und war wirklich charismatisch. Warum sonst sollte sie sich für einen Lehrer interessieren? Melinda wollte doch immer reich heiraten.« Ein gezwungener Seufzer. »Na ja, mit ihrem zweiten Mann hat sie sich den Wunsch erfüllt. Ich hoffe, die beiden sind sehr glücklich.«
»Mögen Sie Ihren derzeitigen Schwiegersohn?«
»Ich kenne ihn ja kaum!«, rief Delia aus. »Es ist, wie es ist. Ich liebe Jared und Amy. Wir stehen uns sehr nahe.«
»Und Nick?«
»Ich habe nichts gegen Nick, er ist halt ein bisschen anders. Ich wollte näher an ihn herankommen, aber Nick hatte seine eigenen Probleme. Seinen Kindern schicke ich zu Weihnachten Geschenke, und sie schicken mir Dankeskarten, doch er ruft nie an, und ich respektiere das.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. »Wir hätten wahrscheinlich sowieso nicht viel gemeinsam, vermute ich.«
»Ich verstehe«, sagte Marge in dem gleichen Flüsterton. »Ben hat also Ihre Tochter
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