Arglist: Roman (German Edition)
Arnie Lamar meinte, er wird mit ein paar von den Ehemaligen da sein. Shirley Redkin, die zuständige Polizistin für Cals Selbstmord, ist auch dabei. Vielleicht hat sie Neuigkeiten für mich über den letzten Bericht der Gerichtsmedizin.«
»Irgendwelche Verwandte?«
»Cals Exfrau, obwohl ich von Lamar gehört habe, dass ihre Scheidung schmutzig war. Als Arnie mit ihr gesprochen hat, hatte er aber das Gefühl, sie sei wirklich betroffen gewesen.«
Oliver dachte einen Moment darüber nach. »Ich nehme mal an, sogar meine Ex würde weinen, wenn ich mir die Kugel gebe.«
»Gott bewahre«, sagte Marge.
»Cals Söhne kommen auch«, fuhr Decker fort. »Der ältere, Freddie, bringt die ganze Familie aus Nashville mit. Cal Junior und sein Lebensgefährte, Brady, geben sich ebenfalls die Ehre.«
»Und wo steigt die Party?«, witzelte Oliver.
»In der Kirche des Guten Hirten, wo immer das sein mag.« Decker sah noch mal auf die Uhr. »Ich brauche wahrscheinlich ein paar Minuten länger, um hinzufinden. Und wer weiß, wie es mit Parkplätzen aussieht. Könnte viel los sein.«
»Klingt jedenfalls nach einem vollen Haus.«
»Das hoffe ich sehr. Wäre doch traurig, einen Gedenkgottesdienst abzuhalten, zu dem keiner kommt.«
Das Gotteshaus war riesig, erbaut in einer Zeit, als Grund und Boden günstig waren, genau wie die Baukosten: eine von Hand gemeißelte Steinfassade, majestätisch hohe Decken, Buntglasfenster, eine Orgel, die eines Bachkonzerts würdig gewesen wäre. Cal Vitton hätte sich bei seinem letzten Akt keine eindrucksvollere Kulisse wünschen können. Die Kirche lag am Fuße der Hügel, von Eichen, Platanen und Eukalyptusbäumen umgeben. Wildblumen – Klatschmohn, Lupinen und Tausendschön – standen in voller Pracht, welkten aber schnell, sobald die Tage länger und die Sonne kräftiger wurde.
Ungefähr fünfzig Leute hatten sich vor dem Altar zusammengefunden, hinter ihnen gab es noch jede Menge leere Kirchenbänke aus Walnussholz. Decker, der schon auf Hunderten von Beerdigungen und Gedenkfeiern gewesen war, bemerkte sofort, dass der Geistliche Cal nicht persönlich gekannt hatte. Die Eloge klang wie aus der Konserve – vielleicht aus der Mogelkiste für Kirchendiener -, wurde aber mit gewaltiger Stimme vorgetragen. Danach war das Podium offen für alle. Jeder, der etwas über Cal sagen wollte, war dazu eingeladen.
Freddie ergriff die Gelegenheit als Erster. Er hatte dunkles, gelocktes Haar, war schlank und gebräunt, mit einem runden Gesicht und weichen Gesichtszügen. Seine Gefühle schienen echt zu sein, als er seine Rede ein paar Mal unterbrach, um sich zu sammeln. Er sprach über Cals Arbeitsethos, erwähnte den Gerechtigkeitssinn seines Dads und berichtete von der Loyalität seines Vaters gegenüber seinen Kollegen.
Cal J ging als Nächster nach vorne: trockenen Auges und gefasst. Er nahm viele der Themen seines Bruders wieder auf, nannte seinen Vater einen großartigen Ermittler, einen unermüdlichen Arbeiter, stets im Einsatz für die Gerechtigkeit. Seine Exfrau hielt keine Rede, dafür aber einige seiner Exkollegen. Vielleicht hatte Arnie Lamar am meisten zu sagen, und selbst das war nicht zu viel. Alle Auszeichnungen und Lobreden über Vitton drehten sich um Cal den Polizisten, kaum eine um Cal den Familienvater.
Der Gottesdienst dauerte etwas länger als eine Stunde. Der Empfang danach fand im Gemeindesaal der Kirche statt. Genug Platz, um sich zu verteilen, aber die Gruppe sammelte sich am Büfett – mehrere Platten mit Kuchen, Keksen, Früchten und Kanapees. Zu trinken gab es Kaffee und Tee, aber keinen Alkohol, das war fast so etwas wie eine Garantie für ein kurzes Zusammensein.
Da die Vitton-Brüder damit beschäftigt waren, Beileidsbekundungen entgegenzunehmen, fand Decker, dies sei der richtige Moment, um Detective Shirley Redkin abzupassen, die sich gerade ein Stück Ananas in den Mund schob. Ihre dunklen Augen weiteten sich, und sie hob einen Finger.
»Ich hasse es, wenn das passiert«, sagte Decker. »Es gibt keine Art, elegant zu kauen, wenn man weiß, dass jemand darauf wartet, mit einem zu reden.«
Kau, kau, schluck, schluck. »Ganz genau. Ich wollte Sie sowieso wegen der Autopsie anrufen.« Sie blickte sich suchend nach einer weniger bevölkerten Ecke im Saal um. »Der Rechtsmediziner legte sich auf ›ungeklärte Todesursache‹ fest, sein wahrer Eindruck ist aber Selbstmord.«
»Was hinderte ihn daran, Selbstmord als Todesursache anzugeben?«
»Nichts, was mit
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