Arglist: Roman (German Edition)
reden...« Sie dachte einen Moment nach. »Vermutete Vitton, dass sein Sohn schwul sein könnte?«
»Lamar behauptet, Cal J hatte in der Highschool kein Coming-out, aber jeder wusste es.«
»Ist Cal so richtig richtig schwul oder einfach nur… schwul?«
Decker strich seinen Bart glatt. Er wusste, dass sie die Frage aus einem bestimmten Grund stellte. »Hm... er ist nicht übermäßig extravagant oder auffällig, wenn du das meinst. Er ist mit Sicherheit weibisch, aber ich kenne auch verheiratete Männer, die so wirken. Ich konnte bloß ein paar Worte mit ihm wechseln. Vor Samstag wird er aber nicht abreisen, und vielleicht erwische ich ihn morgen noch mal.«
»Was hielt Cal Senior davon, dass sein Sohn schwul ist?«
»Lamar sagt, er stritt es ab oder sprach einfach nicht darüber.«
»Hm...«
»Was bedeutet ›hm‹?«
»Wie soll ich das erklären?« Rina versuchte ihre Gedanken zu ordnen. »Ich kannte mal eine sehr religiöse Familie. Sie wohnten in einem ultraorthodoxen Viertel von Brooklyn. Die Familie hatte ziemlich viele Söhne, und einer davon war schwul. Er starb an AIDS. Die Mutter war aufgelöst... einfach am Boden zerstört. Was den Vater anging … er konnte es kaum erwarten, die Schiwah abzusitzen. Ich hätte es ja meiner Einbildung zugeschrieben, aber ich war nicht die Einzige, der es auffiel.«
»Deine Wahrnehmung war bestimmt zutreffend.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es kann durchaus sein, dass der Mann tiefe, tiefe Gefühle für seinen Sohn hegte, gezeigt hat er jedenfalls keine. Man konnte förmlich sehen, wie ihn das Make-up seines Sohnes abstieß.«
»Also gut. Ja, vielleicht fand Cal die Homosexualität seines Sohnes abstoßend, aber ich würde wetten, Cal Senior wollte nicht, dass irgendjemand seinen Sohn verprügelt.«
»Natürlich nicht, das behaupte ich auch gar nicht. Hätte er von Rudy und dem Säure-Vorfall erfahren, hätte er wohl den Dreckskerl mit Freuden verhaftet. Ich frage mich nur … also, nicht dass er die Prügeleien guthieß, nicht dass er überhaupt vom Ausmaß des Ganzen wusste. Und sicherlich hat der Vater nicht dafür gebetet, dass sein Sohn an AIDS stirbt. Und trotzdem war seine Reaktion abgestumpft... irgendwas fehlte. Und genau wie bei diesem Vater, kann ich nicht anders, als mich zu fragen, ob es nicht tief im Inneren von Cal Senior einen Teil gab, der diesem fanatischen Schwulenhass zustimmte.«
Der Boden seines Bechers mit der morgendlichen Kaffeeration hatte gerade seinen Schreibtisch berührt, als der Lautsprecher seiner Telefonanlage zu quäken begann. »Guten Morgen, Lieutenant Decker, ein gewisser Liam O’Dell möchte Sie gerne sehen.«
Was für ein Glückstreffer, denn er wollte ihn heute sowieso anrufen.
»Danke, Sie können ihn herschicken.«
Eine Minute später erschien Mad Irish in seiner Tür. Hinter ihm stand ein muskulöser Polizist in Uniform, dessen Augen auf O’Dells Nacken gerichtet waren. »Er hat es nicht durch den Metalldetektor geschafft«, sagte er. »Ich habe ihn nach Waffen abgetastet, aber er musste sich noch nicht für eine Durchsuchung ausziehen. Es liegt ganz bei Ihnen.«
»Vielen Dank, das wird nicht nötig sein.« Nachdem der Polizist wieder gegangen war, meinte Decker: »Sie stehen früh auf.«
»Ich bin gar nicht ins Bett gegangen.«
Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum er so schlecht aussah – müde, rote Augen, eine fleckige Haut. Er brauchte dringend eine Rasur und dem Geruch nach auch eine Dusche.
»Banks ist verschwunden.«
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
O’Dell begann sich aufzuregen. »Haben Sie mich nicht gehört?«, schrie er los. » Banks ist scheiße noch mal verschwunden! «
Decker stand auf und schloss die Tür. »Ja, ich habe Sie gehört, und Sie mäßigen besser Ihren Ton, oder Sie liegen gleich auf dem Boden, das können Sie aber wissen, mit den-Armen auf dem Rücken in Handschellen. Und jetzt setzen Sie sich gefälligst!«
O’Dell wurde still und ließ seinen Hintern auf einen Stuhl fallen.
»Also noch einmal von vorne«, sagte Decker. »Wollen Sie einen Kaffee?«
Liam nickte. »Danke.«
»Dafür nicht.« Decker gab den Wunsch durch die Sprechanlage weiter. »Banks ist am Samstag ausgezogen. Ich weiß nicht, wo er hin ist. Wir suchen ihn. Ich hätte Sie heute sowieso angerufen, daher bin ich froh, dass Sie vorbeigekommen sind. Aber warum sind Sie so verdammt wütend?«
»Er schuldet mir Geld. Wie soll ich jemals bekommen, was mir rechtmäßig zusteht? Primo ist
Weitere Kostenlose Bücher