Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
Vom Netzwerk:
wie Betrunkene um sie herumtorkelten. «Es gibt Sturm.»
    Vance sah zum Himmel. «Apropos, haben Sie irgendwas Neues von dem Hurrikan gehört?»
    «Der ist noch zu weit draußen, um Prognosen zu machen, aber ich bin besorgt», antwortete sie. «Hoffentlich biegt er nach Norden ab. Ich habe keine Hausratversicherung.»
    Vance lachte. «Schätzchen, wenn das Ding mit 250 Sachen in Miami ankommt, sind wir alle am Arsch. Dann gehen die Versicherungen pleite und mit ihnen der ganze Staat, also ist es völlig egal, ob Sie versichert sind oder nicht.»
    Als sie am Wagen waren, drehte sich Daria noch einmal zum Gefängnis um. Beleuchtet von der sinkenden Sonne, patrouillierten winzige schwarze Silhouetten auf den Plattformen der Wachtürme. Eine Reihe aneinandergeketteter Häftlinge wurde für die Nacht aus den Käfigen in den Bau zurückgebracht. Auch wenn sie die Gefängnismauern hinter sich hatte und draußen an der frischen Luft in der Sonne stand, fühlte Daria sich immer noch schmutzig, als hätte sie ein Bad mit dem Teufel genommen. Statt sauber zu sein, klebte jetzt sein Schleim an ihr. «Mein Gott, Vance», sagte sie leise. «Ich hoffe, wir tun hier das Richtige.»
    «Keine Sorge, der kommt nie raus», gab ihr Boss zurück. Er wusste genau, wovon sie sprach.
    «Wie soll das gehen?»
    «Sie haben mich dadrin gehört. Ich habe gesagt, falls er seinen Teil der Abmachung einhält. Und das wird nicht passieren. Er sagt so lange aus, bis ich sage, dass es uns reicht. Aber es wird uns nie reichen. Das hier ist das beste Angebot, das er kriegt – das einzige Angebot. Die Todesstrafe ist vom Tisch, und er hat die vage Hoffnung, irgendwann wieder auf freien Fuß zu kommen. Es ist ein toller Deal. Henry Davies hätte auf einer konkreteren Formulierung bestehen können, auf etwas Eindeutigerem, das vorteilhafter für Bantling ist, aber das hat er nicht getan. Warum? Wahrscheinlich hat er selbst Frau und Tochter. Verstehen Sie? Sein eigener Anwalt will nicht, dass der wieder frei herumspaziert. Er vertritt den Teufel, und das weiß er auch.»
    Vance öffnete die Wagentür. «Wir sollten uns beeilen. Ich muss was essen, und ich glaube nicht, dass heute Abend noch ein Flieger geht. Dieses verdammte Nest ist der letzte Ort, an dem ich festsitzen will, wenn die Sonne untergeht.» Beim Einsteigen nickte er in Richtung der Wachtürme. «Hier ist es wie in Brennen muss Salem .»
    Lieber einen Schuldigen freisprechen und dafür zehn Schuldige von der Straße holen , dachte Daria, als auch sie in den Wagen stieg. Da war etwas dran. Der Zweck heiligte die Mittel.
    Und doch wurde sie das flaue Gefühl in der Magengrube nicht los. Das Gefühl, mit dem sie heute Morgen aufgewacht war. Und das sich im Laufe des Tages verschlimmert hatte. Wie ein ängstliches Tier Tage vorher ein verheerendes Erdbeben wittert.
    Er war nur ein Mann. Nur ein schuldiger Mann. Und er würde niemals wirklich «raus»kommen.
    Doch selbst, als sie unter der Inschrift des gusseisernen Torbogens hindurch vom Gelände fuhren und das Gefängnis hinter sich ließen, beruhigte sich das unangenehme Gefühl nicht. Und in diesem Moment wurde Daria klar, dass sie vor dem, was sie angezettelt hatte, weder davonlaufen konnte, noch konnte sie es rechtfertigen.

36
    B ill Bantling sah sich in der zwei mal drei Meter großen Zelle um, die fast die gesamten letzten zehn Jahre sein Zuhause gewesen war. Ein Bett, ein Fernseher, eine Plastikmatratze, ein Kissen, ein Klo und ein Waschbecken. Eine Sammlung von Büchern. Ein paar Zeitschriften. Seine Zeichnungen. Damit war die mentale Inventur komplett: Er besaß so gut wie nichts.
    Mit dem Rücken zur Überwachungskamera, die ihn rund um die Uhr beobachtete, legte er sich aufs Bett. Dann öffnete er vorsichtig mit seinem scharfkantigen Daumennagel den drei Zentimeter breiten Schlitz an der Matratzenecke, wo sich die Nähte trafen. Mit dem kleinen Finger zog er vorsichtig die Bilder heraus, die er dort verstaut hatte. Verschiedene Verwaltungen hatten ihm die Zeichnungen über die Jahre immer wieder weggenommen, manchmal noch, bevor sie fertig waren, und hatten sie ekelhaft, degeneriert oder – was er als besonderes Kompliment auffasste – beängstigend genannt. Die Bilder, die er vollendet hatte und von denen er sich absolut nicht trennen wollte, hatte er in seinem Versteck verborgen, das überraschenderweise noch keiner gefunden hatte. Es war wie ein persönliches kleines Fotoalbum der Vergangenheit, einzig und allein aus der

Weitere Kostenlose Bücher