Argus #5
sieben Jahren war Gregory Chambers nicht nur ihr Therapeut, sondern auch ein Freund gewesen. Sie erinnerte sich an sein nettes Lächeln, das graumelierte Haar und die hellblauen Augen. Sie hatte immer gedacht, es wären die gütigsten Augen, die sie je gesehen hatte. Sie hatte ihn in Geheimnisse eingeweiht, die sonst niemand kannte. Die niemand erahnen konnte. Sie hatte ihm vertraut. Und die ganze Zeit hatte er sie manipuliert, so wie er Bantling manipuliert hatte. Das Vergewaltigungsopfer und ihr Vergewaltiger, Anklägerin und Angeklagter, eine Fallstudie zur Unterhaltung eines geisteskranken Arztes.
Dominick streichelte ihre Hand. Die Hand, die nicht von einem Skalpell zerschnitten worden war. «Er hat nur versucht, dich fertigzumachen, C. J. Nichts von dem, was er gesagt hat, stimmt. Bantling hat diese Frauen ermordet. Du hast es bewiesen. Er wurde von den Geschworenen verurteilt. Ein Richter hat die Strafe über ihn verhängt.»
Sie nickte. Sie brachte es nicht übers Herz, ihm zu erzählen, was Chambers zu ihr gesagt hatte, bevor er starb. Dass er das Ganze als Experiment inszeniert hatte, als Fallstudie. Was würde passieren, wenn ein Vergewaltigungsopfer die Chance bekäme, den Vergewaltiger wegen Morden anzuklagen, die er nicht begangen hatte? Wie weit würde sie im Namen der Rache gehen?
Dominick beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich auf die Wange. Er blieb mit dem Gesicht lange dort. «Du hast das Richtige getan, Baby», flüsterte er ihr ins Ohr.
Im Laufe der Ermittlungen zu Cupido hatte C. J. herausgefunden, dass es Vergewaltigungen, deren Modus Operandi mit ihrer identisch war, in allen Städten gegeben hatte, in denen Bantling gelebt hatte, und in jedem Land, das er besucht hatte. Wie sie waren die Opfer gequält, mit einem Messer misshandelt und aufgeschlitzt worden. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er, wenn er je aus dem Gefängnis freikäme, weitere Frauen vergewaltigen würde, und angesichts seiner Brutalität bestand die akute Gefahr, dass seine Triebe eskalierten und er doch einen Mord begehen würde. Sie bereute nicht, dass sie ihn hinter Gitter gebracht hatte; solange er dort war, war es auf der Welt sicherer.
Doch dann hatte Bantling Revision beantragt und behauptet, er wäre reingelegt worden, und plötzlich fielen die Dominosteine um. Officer Victor Chavez wurde brutal ermordet, seine Zunge herausgeschnitten. Sonny Lindemans Leiche wurde mit abgeschnittenen Ohren gefunden. Lou Riberos Augen waren ausgestochen worden, bevor er starb. Die Taskforce Morpheus fand Hinweise darauf, dass alle drei Polizisten korrupt waren, und folgerte, die Morde seien Exekutionen durch Gangmitglieder. Nur C. J. wusste, dass sie in Wirklichkeit gestorben waren, weil sie sich mit ihr wegen des anonymen Tipps verschworen hatten, der zu Bantlings Verhaftung führte.
Das nächste Opfer war Bantlings ehemalige Verteidigerin. Nachdem sie eine eidesstattliche Erklärung abgegeben hatte, in der sie behauptete, im Besitz eines Mitschnitts besagten anonymen Tipps zu sein, wurde Lourdes Rubio bei einem Raubüberfall ermordet. Der Mitschnitt wurde nie gefunden.
Zu diesem Zeitpunkt wurde C. J. klar, dass Dr. Greg Chambers eine Gefolgschaft hinterlassen hatte. Bill Bantling war nicht der einzige Psychopath, dem Chambers seine besondere Art der Patenschaft hatte angedeihen lassen. Es gab noch andere, die seine kranken Phantasien teilten und von ihm ermutigt wurden, sie in die Tat umzusetzen. Das abartige Spiel, das Chambers begonnen hatte, fand kein Ende mit seinem Tod. Es wurde immer noch gespielt.
Sie hätte nachsehen müssen, ob jemand auf der Rückbank war. Aber sie hatte es nicht getan.
«Greg hatte einen Freund. Einen engen Freund, C. J.», zischte der Mann, der sich hinter ihr versteckt hatte. «Einen Freund, der seine Phantasien verstanden und sie geteilt hat. Greg hatte sogar mehrere Freunde.»
FDLE-Agent Chris Masterson hatte jahrelang unter Dominicks Kommando gearbeitet. Er war bei der Cupido-Taskforce gewesen, der C. J. zugeteilt war. Und er war auch an der Morpheus-Ermittlung beteiligt. Ein weiterer Kollege, dem sie vertraut hatte, ohne dass ihr je der Verdacht kam, hinter seinem jungenhaften Gesicht könnte ein kranker Geist lauern. Und jetzt hielt er ihr das Messer an den Hals und drückte ihren Kopf an die Kopfstütze, während sie versuchte, den Sägezähnen an ihrer Kehle auszuweichen.
«Es war eine Tragödie, dass er uns genommen wurde, als er gerade dabei war, seinen Traum zu
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