Argus #5
tut es nicht. Ich brauche keinen ‹rationalen Umgang› damit, dass du den Mann, der dich vergewaltigt hat, in die Todeszelle gebracht hast, C. J., denn es leuchtet mir absolut ein. Das war die einzig rationale Aktion in einem verdrehten, korrupten System, das es geschafft hat, ihn noch zehn Jahre lang am Leben zu lassen. Du hast meine volle Zustimmung.»
C. J. vergrub den Kopf in den Händen. «Wir teilen dieses große Geheimnis, du und ich. Ich will einfach nicht mehr. Ich habe das Gefühl, ständig aus dem Fenster auf meine Vergangenheit zu schauen und darauf zu warten, dass sie mich einholt. Ich versuche, ihr zu entkommen, umgebe mich mit normalen Menschen, die von alldem nichts ahnen. Die weder mich kennen noch meine Vergangenheit – aber auch das funktioniert nicht. Anscheinend komme ich nirgends los davon. Und jetzt ist er auch noch draußen. Er ist wieder auf freiem Fuß und …» Sie brach ab.
«Du bist das, C. J. Du suchst ständig nach einem rationalen Umgang. Du kannst dich selbst nicht leiden. Und du behältst das alles für dich. Dein Gewissen frisst dich bei lebendigem Leib auf. Es frisst uns beide auf. Es treibt dich an, vor dir selbst wegzulaufen und ein neues Leben anzufangen, aber das geht nicht. Egal, wie viele Kilometer du zwischen uns oder zwischen dich und Bantling oder zwischen dich und deine Vergangenheit bringst, vor dir selbst kannst du nicht davonlaufen. Du musst dir vergeben. Du musst das hinter dir lassen.»
«Ich kann nicht.»
«Es gibt keine andere Möglichkeit.» Dominick sah sich in dem kleinen Haus um, deutete auf den schweren Riegel an der Haustür, auf die Alarmanlage, die heruntergelassenen Jalousien. «Sieh dir doch an, wie du jetzt lebst. Bist du glücklich? Hat es diesmal funktioniert?»
Sie blickte ihn an. Die Tränen kamen zurück. «Woher wusstest du, wo ich bin?»
«Ich habe es die ganze Zeit gewusst. Du läufst immer weiter, und ich weiß, dass du nicht gern verfolgt wirst. Deshalb habe ich einfach gewartet, bis du wieder nach Hause kommst.»
Sie griff nach seiner Hand und sah, dass er seinen Ehering immer noch trug. «Unterschreib die Papiere nicht.»
Mit einer kraftvollen Bewegung zog er sie von der Couch hoch. Ihr Gesicht war nur Zentimeter von seinem entfernt. Ihr Duft war wie ein betörendes Parfüm. Es fiel ihm schwer, klar zu denken, wenn er ihr so nahe war. Mit einer Hand griff er in ihr Haar und zog sie noch näher zu sich heran. Manchmal hätte er sie gern gehasst. Wirklich und wahrhaftig. «Verdammt, C. J.», sagte er leise. «Das hätte ich nie getan.»
48
D u musst nach Chicago zurück», sagte sie zu ihm. Sie lagen zusammen in ihrem Bett, ihr Kopf an seiner Brust, seine Hand in ihrem Haar. Nach und nach fiel immer mehr Morgenlicht ins Zimmer. Normalerweise folgte auf heißen Versöhnungssex tiefer Schlaf, doch gestern war es anders gewesen. Sie hatten nachmittags miteinander geschlafen, dann waren sie am Hendry’s Beach etwas essen gegangen, und als sie zurückkamen, hatten sie sich in einem nur von Kerzen erleuchteten Zimmer bei einer weiteren Flasche Wein noch einmal versöhnt. Irgendwann war Dominick dann eingeschlafen, doch C. J. hatte kein Auge zugemacht. Immer wieder war sie aufgestanden, hatte die Fenster überprüft und hinausgeschaut in die dunkle Nacht und den dichten Wald, der wie ein Garten an das Haus ihrer Großmutter grenzte. Dann kam der Morgen, und die Wirkung des Weins ließ nach.
Dominick schwieg, atmete nur hörbar aus.
«Ich komme wieder nach Hause», flüsterte C. J. Sie hatte sich auf den Bettrand gesetzt und wandte ihm den Rücken zu. «Versprochen. In ein paar Tagen. Ich muss hier noch ein paar Dinge zum Abschluss bringen. Meinen Prozess zu Ende führen.»
«Dann bleibe ich.»
«Ich laufe nicht mehr weg, Dominick. Ich will das alles klären.»
«Er ist flüchtig. Was ist damit? Wie passt das in deine Pläne?»
Eine Zeitlang sagte sie nichts. «Gut möglich, dass er nach mir sucht, aber ich glaube, mir bleibt noch Zeit genug, meinen Prozess abzuschließen und meine Stelle hier zu kündigen. Ich stehe vor dem Schlussplädoyer. Dem Abschluss einer neun Wochen langen Verhandlung. Da kann ich jetzt nicht einfach gehen.»
«Dann bleibe ich», wiederholte Dominick.
«Du hast doch selbst eine Verhandlung, die am Mittwoch anfängt.»
«Wenn wir heute Abend losfahren, sind wir am Mittwoch in Chicago. Es sei denn, du fliegst lieber.»
«Ich packe Luna doch nicht in den Frachtraum.»
«Dann beantrage ich
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