Argus #5
Ms. DeBianchi?», wollte die Richterin wissen.
«Das versuchen wir gerade herauszufinden, Euer Ehren», antwortete Collier.
«Fehlt ihr etwas?»
«Das wissen wir noch nicht, Euer Ehren. Wir haben keine Ahnung, wo sie steckt. Sie hätte am Montag einen Vortrag auf der Konferenz in Orlando halten sollen, aber gerade habe ich erfahren, dass sie dort nicht erschienen ist. Im Augenblick weiß niemand, wo sie sich aufhält.»
Manny fühlte sich, als hätte ihm jemand in den Bauch geschossen. Am liebsten wäre er gleich losgerannt und hätte irgendetwas unternommen, aber er konnte sich nicht rühren. Er war wie erstarrt.
«Ich würde doch vermuten, man hätte Sie benachrichtigt, falls sie einen Autounfall hatte oder etwas in der Art», sagte die Richterin skeptisch.
«Ich kann im Augenblick noch nicht einschätzen, womit wir es hier zu tun haben, Euer Ehren.»
Richterin Becker seufzte. «Ich möchte wirklich nicht hartherzig erscheinen, aber die Staatsanwaltschaft sollte doch sehen, dass sie in die Gänge kommt. Mr. Collier, ich geben Ihnen Zeit bis heute Nachmittag um zwei. Bis dahin haben Sie entweder Ms. DeBianchi aufgetrieben, oder Sie werden den Antrag selbst verhandeln. Ich weiß nicht, was für ein Verschleppungsmanöver der Staat da inszeniert, aber meine Geduld ist am Ende, besonders vor dem Hintergrund, dass Ms. DeBianchi durch ihren Brady-Verstoß bereits einmal mangelnden Respekt gegenüber dem Gericht und der Verteidigung gezeigt hat.» Sie knallte ihre Akte zu und stand auf.
«Euer Ehren, das lässt mir nur drei Stunden», protestierte Vance.
«Wir unterbrechen die Verhandlung bis zwei Uhr», erwiderte die Richterin eisig.
Und damit rauschte sie aus dem Saal.
51
S ie hat eingecheckt, aber nicht wieder ausgecheckt. Ihr Koffer ist immer noch auf dem Zimmer. Aber das Handy, der Wagen und die Handtasche sind weg», berichtete der Rechtsabteilungsleiter düster. «Mehr wissen wir im Augenblick nicht.»
Sie standen zu viert auf dem Flur vor dem Gerichtssaal: Gretchen, Vance, George Schaible und Manny. Die Tür zum Gerichtssaal stand einen Spaltbreit offen, weil der Gerichtsdiener im Auftrag von Richterin Becker Akten zum Gerichtsschreiber transportieren musste und nicht wollte, dass die Tür immer wieder ins Schloss fiel. Durch den Spalt sah Manny, wie Lunders und sein Anwalt lachend mit zwei Vollzugsbeamten scherzten. Ein Glück, dass heute keine Fernsehkameras dabei waren. Anhörungen im Rahmen einer Vorverhandlung fanden selbst die sensationslüsternsten Reporter nur in etwa so spannend, wie einer frisch gestrichenen Wand beim Trocknen zuzusehen.
«Haben Sie schon die Krankenhäuser durchtelefoniert?», fragte Vance.
«Wir sind gerade dabei», sagte George.
«Und warum erfahren Sie das alles erst jetzt?», wollte Manny wissen. «Wann hat sie denn eingecheckt? Und in welchem Hotel?»
Gretchen kaute verstört an ihrem Daumennagel. «Im Hilton in Buena Vista. Sie ist am Sonntag hingefahren.»
«Das ist drei Tage her. Und vorgestern sollte sie ihren Vortrag halten und ist nicht aufgetaucht? Wann wurde sie denn überhaupt das letzte Mal gesehen?»
«Das wissen wir auch noch nicht», sagte George.
«Hat das gottverdammte Zimmermädchen denn nicht gemerkt, dass sie drei Nächte nicht in ihrem Bett geschlafen hat?» Mannys Gedanken wanderten zurück zu der Nachricht, die sie ihm am Sonntagabend hinterlassen hatte.
Weißt du, ich bin hier gerade auf dieser Konferenz und sitze im Hotel und muss immer daran denken, wie wir das erste Mal zusammen waren …
Sie war nicht rangegangen, als er sie zurückgerufen hatte. Und sie hatte auch keine SMS geschrieben.
«An der Tür hing das ‹Bitte nicht stören›-Schild», sagte Gretchen. «Das Hotel hat ihren Aufenthalt einfach um eine Nacht verlängert, weil die SMART-Konferenz ja erst gestern Nachmittag zu Ende gegangen ist. Es hat also faktisch niemand ihr Zimmer betreten, bis wir heute Morgen angerufen haben. Und dass jemand zu seinem Vortrag nicht erscheint, kommt anscheinend häufiger vor. Die Organisatoren haben einfach angenommen, dass sie aus irgendeinem Grund verhindert ist, und einen anderen Vortrag aus der Sektion Sexualdelikte vorgezogen.»
«Ich gebe eine Fahndung nach ihr und ihrem Wagen raus.» Manny hatte das Handy schon in der Hand. «Und die Kollegen aus Fort Lauderdale sollen zu ihrem Haus in Victoria Park fahren. Vielleicht ist sie ja früher zurückgekommen. Vielleicht gab es einen familiären Notfall. Ich weiß, dass es ihrem Vater
Weitere Kostenlose Bücher