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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Doch Daria war nicht hier, und Richterin Becker hatte darauf bestanden, dass die Sache weiterging. Vance hatte sich also größte Mühe gegeben, Lunders’ Antrag, Darias Entgegnung, den Durchsuchungsbefehl und die beigefügte eidesstattliche Erklärung von Manny Alvarez querzulesen. Dabei war ihm als Allererstes das sehr subtile, sehr spezielle und höchst besorgniserregende Problem ins Auge gesprungen, das offenbar alle übersehen hatten, einschließlich des Verteidigers, der es in seinem Antrag mit keinem Wort erwähnte. Doch für Vance war es wie ein einzelner Tippfehler im Titel einer ansonsten makellosen Doktorarbeit. Seine Gedanken kehrten immer und immer wieder zu diesem einen Fehler zurück, und er fragte sich, ob die anderen ihn nicht doch irgendwann auch bemerken würden.
    In unermüdlicher Detektivarbeit hatte Manny Alvarez Talbot Lunders als Verdächtigen im Mordfall Holly Skole identifiziert. Marie Modic, die Zeugin, die leider nicht mehr aussagen konnte, weil sie tot war, hatte Talbot auf dem Standbild des Überwachungsvideos aus dem Menace als den Mann erkannt, mit dem sie sich an dem Abend, als Holly verschwunden war, unterhalten hatte. Sie hatte Manny den Namen «T» genannt. Sie hatte den Autoschlüssel des Mercedes wiedererkannt. Und vor allem hatte sie Manny auf den Firmennamen Automotive Experts auf dem Schlüsselanhänger hingewiesen, der Manny schließlich in das Autohaus und zu Abby Lunders’ Mercedes geführt hatte. Von dort aus hatte man Talbot Lunders anhand der Autoversicherung seiner Mutter und seines eigenen Führerscheinfotos identifizieren können. Zusammen mit dem Videoband, das zeigte, wie Holly in den Mercedes stieg, bestand dadurch der dringende Verdacht, dass der Mercedes Spuren eines Verbrechens, namentlich eines Mordes, enthalten könne, sowie eine Beweislage, die eindeutig genug war, um die Ausstellung eines Durchsuchungsbefehls für den Wagen zu rechtfertigen. Richter Paulus, der diensthabende Amtsrichter, hatte das ebenfalls so gesehen und deshalb den Durchsuchungsbefehl unterschrieben. So weit, so gut.
    Bis auf dieses eine, winzige, verdammt große Problem. Wie beim falsch geschriebenen Titel der Doktorarbeit hing auch hier alles an einem Wort. An einem einzigen verfluchten Wort …
    Damit das Rechtssystem nicht dadurch unterlaufen werden konnte, weil sich die Auffassung von dringendem Tatverdacht des einen Richters zu sehr von der eines anderen unterschied, wurde jeder von einem Richter unterschriebene Durchsuchungsbefehl als gültig betrachtet. Ende der Diskussion. Ein Strafverteidiger konnte gegen den dringenden Tatverdacht – oder das Fehlen desselben –, auf dem ein Durchsuchungsbefehl gründete, nur dann vorgehen, wenn er nachwies, dass der zuständige Ermittler die Fakten falsch dargestellt oder den Richter in seiner eidesstattlichen Erklärung mutwillig in die Irre geführt hatte. Mit anderen Worten: arglistige Täuschung. Talbot Lunders plädierte absurderweise dahin gehend, dass Marie Modic von der Verteidigung nicht mehr zu ihrer Aussage befragt werden konnte, dass somit sämtliche Äußerungen, die sie Manny Alvarez gegenüber gemacht hatte, auf Hörensagen beruhten und angezweifelt werden mussten und der Durchsuchungsbefehl daher für ungültig erklärt werden sollte, zusammen mit allen Beweisen, die im Mercedes gefunden worden waren. Und da erst die Beweise aus dem Wagen Manny dazu veranlasst hatten, Talbots Boot zu durchsuchen, würden auch die dort aufgefundenen Faserspuren nicht mehr zugelassen. Wenn der Durchsuchungsbefehl für ungültig erklärt wurde, gab es keine Möglichkeit mehr, den Indizienprozess gegen Talbot Lunders aufrechtzuerhalten.
    Der Durchsuchungsbefehl musste also gültig bleiben.
    Und Vance musste unbedingt verhindern, dass jemand auf die Tretmine dieses einzelnen Wortes aufmerksam wurde, die nur darauf wartete zu explodieren. Nur weil Justice Joe dieses abwegige, brandheiße Detail übersehen hatte, das seinen Mandanten retten konnte, hieß das noch lange nicht, dass eine erfahrene Richterin es auch übersah.
    «Die Rechtslage ist eindeutig.» Vance wählte seine Worte mit Bedacht. «Um den Durchsuchungsbefehl zu kippen, indem er den Wahrheitsgehalt von Marie Modics Aussagen in Zweifel zieht, muss der Angeklagte beweisen, dass der zuständige Ermittler in seiner eidesstattlichen Erklärung vorsätzlich beziehungsweise in fahrlässiger Missachtung der Wahrheit eine Falschaussage gemacht hat. Es liegt am heutigen Tag kein Beweis vor,

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