Argus #5
die sie ihm vor drei Tagen hinterlassen hatte. Er musste sie finden. Im Vergleich dazu war alles andere nebensächlich, und es wurde Zeit, dass die anderen das auch endlich kapierten.
Er stand auf. «Euer Ehren, Richter Paulus kannte Marie Modics Identität. Er wusste, dass sie nicht einfach nur ein anonymer Anruf war. Ich habe ihm ihren Namen gegeben und sämtliche Informationen, die ich über sie hatte. Er wollte wissen, warum sie anonym bleiben soll, und ich habe ihm genau das gesagt, was ich Ihnen gerade gesagt habe, dass sie nämlich Angst hat und so weiter, und er hat nur genickt und gesagt: ‹Sehr schlau.› Und dann hat er den Durchsuchungsbefehl unterschrieben.» Er drehte sich zu Vance um. «Ich bin sicher, Richter Paulus erinnert sich noch daran.»
Die Richterin schüttelte erneut den Kopf, griff nach der eidesstattlichen Erklärung und hielt sie mit spitzen Fingern hoch, als würde sie stinken. «Das Gesetz lässt mich nur beurteilen, was auf den Blättern dieses Antrags steht. Alle Gespräche, die Sie mit dem zuständigen Richter sonst noch geführt haben, befinden sich außerhalb dieser Blätter.»
Vance schüttelte resigniert den Kopf, und Manny wusste, es war vorbei. «Das ist doch Wahnsinn!», brüllte er. «Ich bin seit dreiundzwanzig Jahren Polizist. Das ist absoluter Wahnsinn! Wollen Sie mich verarschen, Collier?»
«So lautet das Gesetz, meine Herren. Finden Sie sich damit ab. Oder besser noch: Lernen Sie es auswendig, damit solche Probleme in Zukunft nicht mehr dazu führen, dass Ihre Fälle scheitern. Vielleicht hatte Ms. DeBianchi ja ihre Gründe, in Disney World zu bleiben, vielleicht wollte sie sich das Chaos ersparen, das sie hier hinterlassen hat.» Richterin Becker seufzte. «Das Gericht sieht sich außerstande zu ignorieren, dass die Staatsanwaltschaft sich bereits eines ernsthaften Brady-Verstoßes schuldig gemacht hat, der auch das Zurückhalten von Beweisen vergleichbarer Morde vor der Verteidigung umfasst. Dieser Mangel an Transparenz seitens der Staatsanwaltschaft befremdet das Gericht sehr, und das gilt auch für Sie, Mr. Collier. Mir ist keineswegs entgangen, wie Sie um die Tatsache, dass Marie Modic als anonyme Quelle bezeichnet wird, herumlaviert sind, weil Sie dachten, Sie kommen damit durch. Da Mr. Varlack es nicht erwähnt hat, dachten Sie, Sie sagen auch einfach mal nichts. Aber so funktioniert Rechtsprechung nicht. Also, sagen Sie mir: Wenn ich den Durchsuchungsbefehl für ungültig erkläre – was haben Sie dann noch an konkreten Beweisen gegen Mr. Lunders?»
Vance rieb sich den Hinterkopf. Eigentlich wollte er nicht vor Gericht darlegen, welche Beweise er hatte oder eben nicht hatte, aber die Richterin war jetzt schon stinksauer. «Wir haben die abgerissenen Fasern vom Oberteil des Opfers, die wir auf dem Boot des Angeklagten gefunden haben, sowie den Versuch des Angeklagten, vor seiner Festnahme in ein Land zu entkommen, mit dem keine Auslieferungsvereinbarung besteht.»
«Und darin erschöpft sich die Beweislage, ja? Sie haben also keine stichhaltigen Beweise irgendwo in der Hinterhand? Ein Video vielleicht, das den Angeklagten mit Ms. Skoles Leiche zeigt? Oder, angesichts des bisherigen Verhaltens der Staatsanwaltschaft, ein Video, das sonst irgendwen mit Ms. Skoles Leiche zeigt? Und was die Faserspuren betrifft: Vielleicht hatten Ms. Skole und Mr. Lunders dort auf dem Boot eine leidenschaftliche Begegnung, bei der sich keiner von beiden lange mit Knöpfen aufhalten wollte.»
«Euer Ehren, Ms. Skole wurde vergewaltigt und ermordet. Die Bemerkung des Hohen Gerichts ist geschmacklos.»
«Nun spielen Sie nicht den Klosterbruder, Staatsanwalt. Sie glauben doch wohl selbst nicht, dass die Verteidigung es den Geschworenen gegenüber nicht genau so darstellen wird. Oder wurden etwa Blut, andere Körperflüssigkeiten oder sonstiges DNA-relevantes Beweismaterial an den Fasern gefunden?»
«Bei allem Respekt, ich würde doch meinen, die Verteidigung ist durchaus in der Lage, sich ihre eigene Strategie für diesen Fall zurechtzulegen, ohne dass das Gericht sie dabei unterstützt.»
«Ich sage Ihnen nur, wie ich Ihre Beweislage bis hierher beurteile», erwiderte die Richterin frostig.
«Besten Dank. Ich bin überzeugt, Mr. Varlack weiß das zu schätzen.»
«Das werde ich also bei einer Verhandlung zu hören bekommen? Das ist Ihr Fall?»
«Ich war eigentlich nicht darauf eingestellt, heute den ganzen Fall vor Ihnen zu verhandeln, Euer Ehren. Wir sind aus
Weitere Kostenlose Bücher