Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
Schnaps?«, fragte Paul.
»Brauche ich einen?«, fragte Lisa zurück.
»Kann schon sein«, sagte Paul, »es ist eine ziemlich abenteuerliche Geschichte.«
Ohne dass Paul Regen etwas hätte dagegen unternehmen können, standen zwei Schnapsgläser mit Kräuterlikör neben ihren Getränken. Die Hausmischung, die fürchterlich schmeckte und deren Einbürgerung in einer ansonsten anständigen Lokalität sich heute niemand mehr erklären konnte. Lisa Wochinger kippte ihn in einem Zug hinunter, und Paul Regen wollte nicht zimperlich erscheinen.
»Ich bin bereit«, sagte Lisa Wochinger. Sie würde es vor ihrem Mann erfahren, der jede Berechtigung dazu gehabt hätte. Dies alles war dermaßen abseits des Dienstwegs, dass es Paul Regen besonders gut gefiel.
»Jemand ermordet sich ein Schachspiel«, sagte Paul Regen und griff nach seinem Bier, um den Kräutergeschmack loszuwerden.
»Ein Schachspiel?«, fragte Lisa Wochinger.
Am anderen Ende der Bar stand eine Frau, die zu Paul herüberschaute. Nicht, dass es schon so weit mit ihm gekommen wäre, dass er sich darüber wundern würde, aber er hatte sie hier noch niemals gesehen. Einen derart direkten Blick auch noch nicht. Sie hatte hellgraue Augen, soweit Paul Regen das in dem schummrigen Licht ausmachen konnte. Möglicherweise hellblau. Dunkle Haare, Mitte dreißig. Auf eine harte Art recht attraktiv, wenn auch keine klassische Schönheit. Paul Regen sah Gespenster.
»Er sucht sich die Figuren zusammen, als ob er damit ein Brett füllen will«, sagte Paul.
»Klingt ziemlich verrückt«, sagte Lisa Wochinger.
»Das stimmt«, sagte Paul. »Deswegen ist es ja auch nur eine Theorie.«
Die Frau auf der anderen Seite der Bar lehnte jetzt mit einem farblosen Longdrink in der Hand an der Tür. Paul konnte sie zwischen den anderen Gästen kaum noch erkennen. Die Geister, die ich rief, dachte er.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Lisa.
»Keine Ahnung«, sagte Paul. »Wenn ich damit zu Klaus gehe, nehmen sie mir den Fall weg.«
»Aber du hast doch gewonnen, oder nicht?«, fragte Lisa.
»Es geht schon längst nicht mehr um die dämliche Wette«, sagte Paul und stellte sein Bierglas auf den Tresen. »Ich habe den Fall entdeckt, und ich will ihn auch zu Ende bringen. Ich will die Leitung der SoKo, Lisa.«
»Und die wird er dir natürlich nicht geben«, sagte Lisa Wochinger.
»Natürlich nicht«, bestätigte Paul Regen. »Wenn ich ihm sage, dass er verloren hat, wird er mir nicht auch noch Zucker in den Arsch blasen.«
»Und dich damit möglicherweise auch noch zum Star machen«, seufzte Lisa und nippte an ihrem Hugo.
»Es geht auch nicht ums Prestige. Es geht jetzt um diesen Fall. Ich glaube, dieser kranke Bastard hat an den Leichen, die wir gefunden haben, nur geübt. Und er ist besser geworden. Wenn wir ihn jetzt nicht stoppen, haben wir vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu.«
»Du meinst, weil er sein Brett voll hat?«
»Möglicherweise«, sagte Paul. »Oder weil er beim Konservieren so gut geworden ist, dass er keinen Ausschuss mehr produziert.«
»Scheiße«, sagte Lisa Wochinger.
»Das kannst du laut sagen«, bestätigte Paul. Die Frau stand jetzt an der Stirnseite der Bar. Sie rückte immer näher. Paul versuchte, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, aber sie schien sich jetzt mehr für das Geschehen hinter der Bar zu interessieren. Sie nippte alle paar Sekunden an ihrem Drink und starrte ins Leere.
Lisa Wochinger warf einen Blick auf die Uhr. »Ach, du Schande«, sagte sie, »schon halb elf. Der Empfang ist um halb zwölf zu Ende.«
»Irgendwann wette ich mit ihm um dich, Lisa Wochinger«, drohte Paul.
Lisa griff nach ihrer Strickjacke: »Versprich nichts, was du nicht halten kannst, Paul Regen.«
Sie verabschiedeten sich mit einem Kuss auf die Wange, der möglicherweise eine Viertelsekunde zu lange dauerte. Paul Regen griff nach seinem Bier. Er hielt nichts von Geistern und kämpfte sich hinter Lisa Wochinger durch das Gewühl Richtung Ausgang. Als er hinter dem Barhocker der geheimnisvollen Fremden angekommen war, stellte er sein Bier neben ihren Gin Tonic.
»Guten Abend«, sagte er.
»Guten Abend, Herr Regen«, sagte sie. »Ich wusste ja, dass Sie Ärger mit Ihrem Chef haben, aber von diesem überaus charmanten Grund stand nichts in der Akte.«
Paul Regen blieb der Mund offen stehen, was in den letzten fünfzehn Jahren genau zweimal vorgekommen war.
»Ich bin Solveigh Lang«, sagte die Frau und reichte ihm die Hand.
»Freut mich«, sagte Paul
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