Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
drei.«
»Warum in die Ferne schweifen, Frau Lang?«
»Sie sind die ECSB-Experten für solche Fälle«, sagte Solveigh. »Und normalerweise werden dafür die besten ausgewählt.«
»Das will ich ja gar nicht bezweifeln, Frau Lang. Und sie können diese Leute ja immer noch fragen, aber ich würde gerne vorher mit Thilo Gleis reden. Er hat die Operative Fallanalyse fürs Münchner Polizeipräsidium aufgebaut und zwanzig Jahre geleitet. Und er kennt unseren Fall.«
»Klar, warum nicht«, sagte Solveigh, die grundsätzlich nichts gegen eine Meinung mehr einzuwenden hatte.
»Fahren wir gleich hin?«, fragte Paul Regen.
»Jetzt?«, fragte Solveigh.
»Sind nur zwei Stationen«, sagte er. »Was haben Sie eigentlich hier draußen gemacht?«
Solveigh warf die Serviette ihres Sandwichs in einen Papierkorb, von denen es in München mehr gab als in jeder anderen Stadt, die sie jemals besucht hatte.
»Ihre assoziative Investigation ist ein Reinfall«, sagte Solveigh, als sie Richtung U-Bahn-Station liefen.
»Tatsächlich?«, fragte Paul Regen. »Inwiefern, wenn ich fragen darf?«
»Es funktioniert bei mir einfach nicht«, gab sie zu. »Ich komme nur auf ganz offensichtliche Zusammenhänge, die uns längst bekannt sind.«
»Wollen wir es einmal zusammen probieren?«, lachte Paul Regen. »Sagen Sie einfach, was Sie sehen, okay? Sie dürfen es nicht hinterfragen.«
»Ich sehe ein Restaurant«, sagte Solveigh.
»Okay«, sagte er. »Und jetzt stellen Sie sich unseren Fall wie eine halb transparente Fläche darüber vor. Was bedeutet ein Restaurant für unseren Täter?«
»Wenn er quer durch Europa fährt, muss er irgendwo essen oder alles vorher eingekauft haben.«
»Gibt es Komplikationen beim Essen, wenn er eine entführte Person transportiert?«
»Möglicherweise«, sagte Solveigh. »Er müsste auch etwas für sie kaufen. Er kann nicht riskieren, dass sie verhungert.«
»Okay, das darf jetzt arbeiten. Suchen Sie das nächste Bild«, unterbrach sie Paul Regen.
Sie hatten die Treppe zur U-Bahn-Station erreicht. Solveigh lief neben Paul die Treppe hinunter und überholte eine Frau mit einer bunten Uhr am Handgelenk und einer komplizierten Brille auf der Nase.
»Ich sehe eine bunte Uhr«, sagte Solveigh.
»Okay«, sagte Paul Regen. »Wofür steht eine Uhr?«
»Für die Zeit.«
»Bilden Sie Begriffe rund um die Zeit. Und denken Sie an die halb transparente Fläche mit unserem Fall. Sie ist immer da, aber sie trübt das Bild nicht.«
»Zeit ist Geld, Zeit vergeht, die Zeiten ändern sich. Tempora mutantur.«
Solveigh blieb mitten auf der Treppe stehen. Tempora. Natürlich. Es war nicht unbedingt naheliegend, aber einen Versuch war es allemal wert. Tempora und Prism. Die Spähprogramme der NSA. Wenn er essen muss, muss er möglicherweise auch telefonieren. Sie musste Eddy anrufen.
»Was ist los, Frau Lang? Die U-Bahn kommt.«
»Ich komme«, sagte Solveigh und wählte Eddys Nummer.
Zwei Stationen weiter stiegen Solveigh und Paul Regen in Gern aus der U-Bahn-Linie 1. Kaum waren sie in eine der Seitenstraßen abgebogen, ersetzten kleine Villen und putzige Spitzdächer die mehrstöckigen Mietshäuser. Paul Regen klingelte an einem Gartentor, es summte beinah augenblicklich.
»Thilo«, sagte Paul und gab einem Mittsechziger die Hand, der mit einer Gartenschere bewaffnet auf sie zukam. »Das ist Solveigh Lang von der ECSB.«
»ECSB?«, fragte Thilo Gleis und legte die Stirn in Falten.
»European Council Special Branch«, erläuterte Paul Regen. »Sie ermittelt für den Europäischen Rat.«
»Nie gehört«, sagte Thilo Gleis und bat sie in das liebevoll dekorierte Häuschen.
»Wir sind sehr diskret«, sagte Solveigh.
»Eine Europapolizei? Das kann ich mir vorstellen«, lachte der ehemalige Profiler und bedeutete ihnen, in seiner Küche Platz zu nehmen. »Das hätten wir mal zu meiner Zeit haben sollen.«
»Es gibt uns seit über zehn Jahren«, sagte Solveigh. »Allerdings hat mein Chef damals mit vier Leuten angefangen.«
»Genug aus dem Nähkästchen«, sagte Paul Regen und griff dankbar nach einem Glas mit Eistee. »Wir sind nicht hier, um zu plaudern.«
Paul Regen erklärte Thilo Gleis ihre neuesten Erkenntnisse und warum sie gekommen waren. Es war offensichtlich, dass er schon früher mit dem Profiler über seinen Verdacht gesprochen hatte. Trotzdem dauerte es über eine Dreiviertelstunde, bis er anfing, ihnen Fragen zu stellen, und eine weitere halbe, bis sie alle beantwortet hatten. Seine Fragen waren
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