Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
kaufen können, der es niemals in die Auslage eines normalen Geschäfts schaffen würde. Gehäkelte Tischdecken, Figuren aus Schrauben, Felltaschen … So ein Zeugs.«
»Aha«, sagte Paul Regen.
»Meine statistische Berechnung zeigt, dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von über zweiundneunzig Prozent einen Zusammenhang zwischen den Märkten und unseren Leichenteilen gibt.«
»Einen portugiesischen Händler, der auf allen diesen Veranstaltungen seine Fellwesten verkauft hat?«, fragte Paul Regen hoffnungsvoll.
»Leider nein«, sagte Dominique. »Die Märkte erheben die Standgebühren fast immer vor Ort und in bar. Unterlagen sammeln die nicht.«
»Aber wir könnten uns bei Besuchern der Märkte umhören, ob jemand Schachfiguren verkauft hat«, sagte Eddy.
»Auch nicht die Deutschen?«, fragte Paul Regen. »Die Deutschen legen für alles eine Kartei an.« Das wusste er genau. Sogar für die Blutwerte von Kriminalkommissaren.
»Die beiden deutschen Märkte gibt es nicht mehr«, sagte Eddy. »Die Organisatoren haben das vor Jahren wegen der schlechten Umsätze aufgegeben.«
Klar, dachte Paul. Das Problem mit der Zeit, die seit den Entführungen vergangen war. Es machte die Ermittlungen nicht gerade leichter.
»Aber wir glauben, dass er einen Stand auf solchen Märkten betreibt? Und dass er aus Portugal kommt?«, fragte Paul Regen.
Dominique und Eddy nickten unisono.
Paul Regen dachte nach. Über das Schachspiel und die Kleinkunst. Und einen Mörder, der seine Leichen plastiniert. Er sprang auf. Die »Auer Dult« – der traditionsreiche Münchner Jahrmarkt. Eine einmalige Gelegenheit.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte Eddy.
»Ich gehe spazieren«, sagte Paul Regen und erntete zwei verdutzte Gesichter.
Die Massen, die sich über die Reichenbachbrücke schoben, waren kaum auszuhalten, und die Radfahrer kamen erschwerend hinzu. Die Auer Dult war ein Jahrmarkt, hatte aber auch einen großen Kleinkunstbereich zu bieten, dessentwegen Paul Regen gekommen war. Über den Isarauen kündigte sich ein abkühlender Schauer an, den das Volksfest weniger, die Natur dafür umso besser gebrauchen konnte. Paul Regen hoffte aus einem anderen Grund auf den Regen, den er so gar nicht mochte: Er würde für eine sofortige Halbierung der Menschenmassen sorgen. Er umlief den gedrängtesten Teil des Marktes, den mit den Karussells und den Schaubuden, und bog direkt in eine der Gassen mit den fahrenden Händlern ein. Sie verkauften Bürsten mit besonders haarfreundlichen Borsten, ein Reinigungsmittel, das besser reinigte als alles andere, nein, wirklich alles, und den legendären V-Hobel, den es natürlich nicht im Handel zu kaufen gab. Eine Buchhändlerin bot in einem Regal antiquarische Werke an, aber leider hatte sie keine Erstausgabe der »Unendlichen Geschichte« in ihrem Sortiment, an der Paul Regen nicht hätte vorbeigehen können, um sie seiner Nichte zu schenken. Während ihm Hausmänner mit Besen und Eimern, Familienväter mit bunten Hüten und Kinder mit riesigen Zuckerwattebäuschen an den fröhlichen Lippen entgegenkamen, lief er an einem Stand vorbei, der große Gefäße zum Abbrennen von Feuerholz im heimischen Garten feilbot. Paul Regen dachte an die Plastinate und das Schachbrett. Was könnte beides mit einem solchen Markt zu tun haben? Er betrachtete den Mann, der die Brennpfannen herstellte. Er sah aus wie ein gealterter Hippie mit grauem Haar und ins Haar geflochtenen kleinen Bändern. Ein freundlicher Mann, ein Lebenskünstler vermutlich. Wahrscheinlich gehörte eine Portion Idealismus zu diesem Beruf, wie auch zu seinem, dachte Paul Regen. Vermutlich verdiente man ausreichend, wenn die Sonne schien, und fuhr einen satten Verlust ein, wenn es regnete. Aber den Adressen auf ihren Prospekten zufolge, mussten die Künstler auch keine Münchner Mieten finanzieren, sondern wohnten auf dem Land, für ihren Beruf brachte die Großstadt keine Vorteile. Genau wie für einen Serienmörder, der ungestört an seinen Plastinaten arbeiten will, dachte Paul Regen. Gab es noch weitere Gemeinsamkeiten? Zwei Stände weiter entdeckte er die obligatorischen Metallfiguren aus zusammengeschweißten Schrauben und Muttern. Da es sie auf jedem dieser Märkte gab, musste es sich um echte Verkaufsschlager handeln, auch wenn sich ihm nicht erschloss, warum. Was konnte jemanden dazu veranlassen, solche Figuren herzustellen? Vermutlich war es nicht besonders aufwendig, ein paar Altmetallteile zusammenzulöten. Und der Wareneinstand dürfte
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