Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
Vertrauen zu den durchschlagenden Stoßdämpfern hatte. Diese eine Fahrt würde es wohl noch überstehen, dachte sie und nahm eine Ampel bei Dunkelrot.
»Twittert er noch?«, fragte sie.
Bernd Tauscheck hielt das Telefon in der linken Hand, während er sich mit der rechten am Griff über der Tür festkrallte.
»Wie ein Vögelchen«, sagte er. »Allerdings wird er langsam misstrauisch.«
»Sagen Sie ihm, wir können uns das mit der Garantie vorstellen«, sagte Solveigh. »Aber werden Sie bitte nicht allzu spezifisch.«
Sie rasten die Bornstraße hinunter, es fehlte nur noch, dass Solveigh auf den breiten Grünstreifen in der Mitte auswich. Sie waren gleich bei der Adresse, die ihnen Eddy besorgt hatte. Von dort aus verschickte der Mann seine Nachrichten. Er würde nicht mit ihnen rechnen.
Die geschundenen Stoßdämpfer krachten, als Solveigh in die Einfahrt bog. Sie bremste vor einer Schranke und warf die Tür ins Schloss. Der Anschluss lief auf einen Derek Bork, einen Fotografen. Rückgebäude, 1. Stock. Solveigh warf einen flüchtigen Blick auf die grau-weiß gestrichene Fassade des Gebäudes. Der erste Stock bot eine Art Dachterrasse, mit direktem Zugang zum Nebengebäude. Es mochte für die Mieter des Büros eine gerne genutzte Annehmlichkeit darstellen, Solveigh sah darin einen möglichen Fluchtweg. Sie stürmte die Treppe hoch und hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
»Polizei! Bitte machen Sie auf!«
Sie hörte, wie hinter der Tür ein Stuhl umfiel.
»Klettern Sie auf die Dachterrasse«, wies sie Bernd Tauscheck an, der ihr nachgeeilt war. Noch einmal hämmerte sie gegen die Tür.
»Aufmachen! Polizei!«
Sie wusste, dass ihr niemand öffnen würde. Sie trat einen Schritt zurück und maß die Schwachstelle der Tür ab. Dann ging sie leicht in die Hocke, um das Schloss in der richtigen Höhe mit ihrer Schulter zu erwischen, und warf sich dagegen. Erst beim dritten Versuch gab die Tür nach, und Solveigh taumelte in den Raum. Lange Stoffbahnen hingen von der Decke, die wohl normalerweise dazu dienten, das Licht der Scheinwerfer weicher zu machen, und die jetzt gute Verstecke boten. Ist das hier wirklich nötig?, fragte sie sich und zog die Jericho. Etwa in der Mitte des großen Raums konnte sie einen Schreibtisch entdecken, auf dem ein aufgeklappter Laptop stand. Der umgekippte Stuhl lag davor, aber auf der falschen Seite. Es hatten dort zwei Menschen gesessen.
»Polizei!«, rief Solveigh noch einmal. Was nicht ganz richtig und nicht ganz falsch war. Immerhin stand ein waschechter deutscher Beamter auf dem Balkon. Dann hörte sie Schritte. Aus dem rückwärtigen Teil des Raums kam ein Mann in einem dunklen Hemd auf sie zu. Angegrauter Dreitagebart. Nicht besonders groß, nicht besonders klein. Vermutlich der Fotograf.
»Was soll das Theater?«, fragte er, während er auf sie zulief.
Solveigh ließ die Waffe sinken.
»Wieso haben Sie nicht aufgemacht?«, fragte sie.
»Ich vermute, dass ich Ihnen das nicht erklären muss«, sagte er.
»Lilianas Asylantrag«, sagte Solveigh.
Der Fotograf nickte: »Sie waren ziemlich schnell.«
Solveigh drehte sich um und betrachtete die Stoffbahnen. Die Fensterfront zur Dachterrasse war nicht zu sehen. Solveigh versuchte, den Abstand zu schätzen, aber das Treppenhaus war zu verwinkelt gewesen. Das Haus musste früher eine Fabrik oder etwas Ähnliches gewesen sein. Der schwarz gefärbte Betonboden wies noch Markierungen für Maschinen auf.
»Kann sie mich in diesem Moment hören?«, fragte Solveigh.
Sie konzentrierte sich auf seine Mimik statt auf seine Antwort. Die Gesichtsmuskeln verrieten einen ungeübten Lügner fast immer. Wie damals Fabio Lonzi an der Bar.
»Liliana ist nicht hier«, sagte er.
Natürlich nicht, dachte Solveigh.
»Liliana?«, fragte Solveigh. »Kannst du mich verstehen?«
Natürlich erhielt sie keine Antwort.
»Sprechen Sie Englisch mit ihr?«, fragte Solveigh.
Derek zuckte mit den Achseln. Und seine Augenbrauen hoben sich für den Bruchteil einer Sekunde, gleichzeitig weiteten sich seine Pupillen. Ein Reflex.
»Listen to me, Liliana«, sagte Solveigh und fuhr auf Englisch fort. »Du musst keine Angst haben. Es geht nicht darum, dich zurückzuschicken. Es geht heute gar nicht um dich. Sondern um Ioana. Ich verspreche dir, dass ich mich persönlich darum bemühen werde, dir zu einem Visum zu verhelfen, wenn du in Europa bleiben möchtest. Aber jetzt geht es nicht um dein Visum. Heute geht es darum, dass du eine Entscheidung
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