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Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)

Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)

Titel: Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenk Saborowski
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sie Wasser in den Kessel laufen und stellte ihn auf den Ofen. Bevor es kochte, nahm sie ihn herunter und goss einen Kaffee auf. Nur einen. Zum ersten Mal. Mit dem dampfenden Becher in der Hand ging sie zurück in ihr Zimmer und zog sich an. Die Tasche stand gepackt auf dem Boden ihres Schranks. Ein letztes Mal überprüfte sie, ob die Briefe ihrer Eltern in der Seitentasche steckten und ob ihr Erspartes sicher in der Innentasche verstaut war. Dann nahm sie ihre Habseligkeiten, ging in die Küche, stellte die Kaffeetasse auf den Briefumschlag und öffnete die Haustür. Bei ihrem letzten Blick zurück sah sie ihren Großvater am Tisch sitzen, und sein Rücken formte eine perfekte mathematische Kurve bis zu seinem Becher. Dann zog sie die Tür hinter sich zu.

    Sie sah Ioanas Haar im Orange der aufgehenden Sonne glänzen, bevor sie auch nur in ihrer Nähe war. Lila konnte im Sitzen die Pikser des grob zugeschnittenen Zauns spüren, auf dem sie bis heute jeden Morgen auf den Bus gewartet hatten, um zur Schule zu fahren. Auch das gehörte der Vergangenheit an. Ioana lief ihr entgegen, und Lila sah, dass sie geweint hatte. Kamen ihr auf einmal Zweifel? Sie war immer diejenige gewesen, die Zuversicht ausgestrahlt hatte. Als sie sich in die Arme fielen, kamen auch Lila die Tränen, und für ein paar Minuten hielten sie sich fest in der Trauer über das, was sie zurücklassen würden. Ihre Großeltern, Ioanas Geschwister, die Schule, Bence, ihre Heimat.
    »Wir kommen zurück«, flüsterte Lila Ioana ins Ohr, als sie hörte, dass sich ein Auto näherte. Um diese Uhrzeit konnte das nur Radu sein. Lila und Ioana hielten sich immer noch im Arm, als sein Sportwagen neben ihnen bremste. Radu stieg aus, und Lila wischte sich eine Träne von der Wange.
    »Alles klar?«, frage Radu.
    »Klar«, sagte Ioana.
    »Ja«, sagte Lila.
    »Umso besser«, sagte Radu und bedeutete ihnen einzusteigen. Kaum hatten sie Platz genommen, gab er Gas und brachte sie weg von Iliciovca, weg von zu Hause.
    »Eure Pässe und eure Visa«, sagte er und reichte jedem von ihnen einen Plastikbeutel mit einem Gummiband drumherum.
    Lila strich über die raue Oberfläche ihres ersten eigenen Reisepasses. Sie hatte bei ihren Eltern schon einmal einen gesehen, aber dieser hier, das war etwas anderes, etwas Besonderes. Ein Symbol für ihre neue Freiheit. Lila fühlte sich auf einmal sehr erwachsen. Sie schlug ihn auf und betrachtete das Bild, das sie mit Radu bei einem kleinen Fotografen in Drochia aufgenommen hatten. Dann stellte sie fest, dass der Ausweis in Kischinau, der Hauptstadt, ausgestellt worden war, was sie erstaunte. Als Zweites bemerkte sie ihr Geburtsdatum. Es war das falsche Jahr. Laut ihrem Pass war sie achtzehn Jahre alt. Wie konnte in einem offiziellen Dokument ein falsches Geburtsdatum angegeben sein? Oder gab es noch eine andere Erklärung? Direkt unterhalb ihres Bauchnabels bildete sich ein Klumpen. Sie schluckte und fasste nach Ioanas Schulter.

    »Da ist doch was faul«, flüsterte Lila und beobachtete Radu, der telefonierend vor der Motorhaube auf und ab lief.
    »Bestimmt gibt es eine gute Erklärung«, sagte Ioana.
    »Klar, die gibt es: Die Pässe sind Fälschungen.«
    Ioana strich über die raue Oberfläche und fühlte dann nach der Dicke der Innenseiten, die eingestanzte Nummer.
    »Fühlt sich echt an, wenn du mich fragst«, sagte sie schließlich. Lila vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass Radu beschäftigt war.
    »Aber wo gibt es denn so was: ein falsches Geburtsdatum? Und vor allem: warum?«
    »Fragen wir ihn doch einfach«, schlug Ioana vor.
    »Spinnst du?«, sagte Lila. »Was, wenn sie doch falsch sind? Was, wenn er uns doch entführt?«
    Ioana lachte: »Radu ist mein Cousin, Lila. Vergiss das nicht. Ich bin sicher, es gibt eine ganz einfache Erklä…«
    Sie wurde vom Öffnen des Türschlosses unterbrochen. Radu rutschte hinter das Lenkrad und startete den Motor.
    »Alles in Ordnung«, sagte Radu. »Das war meine Chefin. Sie freut sich schon, euch kennenzulernen.«
    Lila und Ioana schwiegen.
    »Wollt ihr Musik?«, fragte Radu und stellte den CD-Spieler lauter. Dabei legte er die Hand auf die Kopfstütze von Lilas Sitz.
    »Was geht euch durch den Kopf?«, fragte Radu nach zehn Kilometern und stellte die Musik wieder ab.
    Die Mädchen schwiegen.
    »Hey«, sagte Radu, »wenn euch etwas belastet, solltet ihr mir das sagen. Wir sind doch ein Team, oder nicht?«
    Lila räusperte sich: »Na ja, wir haben uns gefragt …«
    Radu

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