Aries
mich gehen zu lassen. Und nun bin ich hier. <<, schloss ich und rang meine Finger ineinander. Eine Stille folgte, die mir so unnatürlich vorkam. Mein Herz war leer und meine Zähne schlugen heftig aufeinander, sodass ich nur dieses Geräusch wahrnahm. Großvater zog mich an seine Brust und leise weinte ich vor mich hin. Er sagte kein Wort. Er hielt mich fest. Als ich meinen Kopf hob, strich er mir eine Strähne aus der Stirn und flüsterte:
>> Jetzt wird alles gut, Fränni. Man muss sich das auch mal von der Seele reden - damit du von Neuem anfangen kannst. Jetzt wird alles wieder gut. << Ich nickte stumm und versuchte zu lächeln, dass es nur eine Grimasse wurde, störte ihn nicht. Großvater strahlte überschwängliche Liebe aus, als er sagte: >> Und jetzt trinken wir unseren Kakao. <<
Der war inzwischen kalt geworden. Es störte mich nicht. Was? wenn er Recht hatte. Was? - wenn ich wieder leben könnte, sorglos wie früher. Mein Bruder war wichtig für mich, aber es war seine Entscheidung und Er würde die Konsequenzen klaglos tragen. Das würde er auch von mir verlangen. Manche Dinge konnte man nicht beeinflussen, so schrecklich sie auch waren. Versunken starrte ich in die Landschaft, bis Eve mich in die Realität zurückholte.
>> Fränni, du musst los. Es wird gleich dunkel. Damit du noch im Hellen bei Lotti bist. Ich fahre dich. <<
>> Nicht nötig. Ich kann laufen. Soweit ist es ja nicht. <<, winkte ich ab und wunderte mich, wie dämmrig es geworden war.
>> Ich fahre dich. <<, sagte Eve und zog mich entschlossen von meinem Stuhl hoch. Großvater küsste mich zum Abschied und rang mir das Versprechen ab, am nächsten Tag wiederzukommen. Ich versprach es und lief zu Eve, die bereits im Auto wartete - als mir der Junge einfiel.
>> Großvater, wo ist Ari? <<
>> Er ist sicher unterwegs. <<
>> Na sag ihm nochmals danke und schade, dass ich ihn nicht mehr gesehen habe. << Großvater nickte und winkend stieg ich zu Eve ins Auto. Wir brausten los. Für eine Endsiebzigerin hatte sie einen rasanten Fahrstil. Schnell waren wir zu Hause bei Oma.
Zuhause - dachte ich - endlich!
In meinem Kopf drehten sich die Erinnerungen. Wie lange hatte ich all diese Dinge mit mir herumgeschleppt, ohne auch nur ein Wort, darüber sprechen zu können. Eine Ewigkeit.
Hoffentlich ging das Abendessen schnell vorüber. Ich war jetzt nicht in Stimmung, Geselligkeit und Unterhaltung zu ertragen. Doch ein Blick von mir genügte, und rücksichtsvoll, mich nicht bedrängend, deckten sie den Tisch und wir begannen still zu essen. Loni sah Oma mehrmals an, doch schweigend beendeten wir unser Mahl.
Erleichtert verabschiedete ich mich für die Nacht und legte mich sogleich ins Bett. Es wurde Eine dieser schlimmen Nächte. Albträume wobei sich die Stimmen meines Bruders und Aris abwechselten.
Als ich am Morgen entsetzt die Augen aufschlug, war der Himmel gerade dabei, die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne zu schicken. Müde kletterte ich aus dem Bett und sah auf die Uhr. Halb sechs. Zu früh. Hin und her gerissen, ob ich aufstehen oder weiter schlafen sollte, entschied ich mich und ging ins Bad. In der Küche, machte sich Oma bereits am Herd zu schaffen. Es roch nach gebackenen Brötchen und frischem Kaffee. Nach einer ausgiebigen Dusche und frisch geputzten Zähnen, fühlte ich mich besser. Ein kurzes Frühstück, wobei mich Oma schweigend musterte, ging schnell vorüber.
Danach warf ich meine Schulsachen in die Tasche und lief aus dem Haus. Es war viel zu früh für die Schule, aber die kalte Luft und der Weg dorthin, würden meinen Kopf freiblasen und genau Das, brauchte ich jetzt. Ich lief bewusst langsam und sog die Frische ein.
Heute sollte ich wieder zu Großvater und ich freute mich darauf. Nicht nur auf ihn und Eve, vor allem auf Ari. Was für ein eigenartiger und interessanter Junge. Wie alt wird er sein? Und solche Augen … wer hat solche tiefgrünen Augen? Habe ich noch nie gesehen. Ob er noch zur Schule geht? Wenn ja - in welche? In meine nicht. Er wäre mir mit Sicherheit aufgefallen. Ob er heute Nachmittag bei Großvater ist?
Wäre so schön.
Mein Gott, was ist denn mit mir los. Erschrocken über mich selbst, blieb ich stehen und unterbrach meine Gedanken. Mir fiel ein, dass ich auch Marie nach dem Jungen mit den grünen Augen gefragt hatte. Sie hat nicht gewusst, wen ich meinte. Er war ihr auf der Party nicht aufgefallen. Warum nicht? Solche Augen fallen doch sofort auf. Ich fand das merkwürdig. Es schien ihn keiner, außer mir,
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