Aristos - Insel der Entscheidung
Arbeitszimmers machte sie Halt und atmete tief durch. Nervös strich sie mit den Händen über ihr kurzes dunkelblaues Baumwollkleid. Wieso fühlte sie sich nur, als würde sie gleich ihrem Henker gegenübertreten? Schließlich öffnete sie vorsichtig die Tür.
Auf den ersten Blick sah auch hier noch alles aus wie früher. Der modern und funktionell eingerichtete Raum wirkte wie das Kontrollzentrum eines Riesenkonzerns, von dem aus die Markonos-Männer auch von der Insel aus ihren Einfluss spielen lassen und wichtige Entscheidungen treffen konnten. In stilvollen Regalen und Schränken aus Zedernholz standen surrende hochmoderne Faxgeräte, Drucker und Kopierer. Über ein halbes Dutzend Computerbildschirme flimmerten rund um die Uhr sämtliche Börsenkurse der Welt.
Der riesige Schreibtisch quoll von Akten und Notizzetteln beinahe über. Dahinter stand Andreas, das Telefon am Ohr, damit beschäftigt, seinem Gesprächspartner auf Griechisch irgendwelche Anweisungen zu geben. Früher hatte sie auch ganz gut Griechisch gesprochen, aber erstens hatte sie die Sprache lange nicht benutzt, und zweites redete er so schnell, dass sie sowieso keine Chance gehabt hätte, ihn zu verstehen.
Außerdem wollte sie gar nicht zuhören, zusehen genügte fürs Erste. Selbst in seinen lässigen hellgrauen Baumwollhosen und dem einfachen weißen Hemd strömte er noch immer die atemberaubend dynamische Energie eines raffinierten und erfolgreichen Geschäftsmannes aus. Angespannt starrte er auf seine Schuhe.
Alpha-Mann im Urlaub, dachte sie trocken. Wenn man ihn in dieser Pose auf die Titelseite der Vogue bringen würde, wären sämtliche Exemplare innerhalb weniger Minuten ausverkauft. Unglaublich, wie sexy er war! Die plötzlich in ihr aufsteigende Hitze erinnerte sie nur einmal mehr daran, dass sie für keinen anderen je so viel empfunden hatte.
Als er aufsah, brach er das Gespräch sofort ab. Vor Überraschung schien sein Gesicht wie erstarrt.
„Hallo“, sagte sie lächelnd. „Tut mir leid, wenn ich störe, aber …“
„Du störst doch nicht“, erwiderte er steif und kam ihr hastig entgegen.
Sonderbar. So wie er sich vor den Schreibtisch stellte, bekam sie beinahe das Gefühl, er wolle verhindern, dass sie einen Blick darauf warf. Auch ihr heftiges Herzklopfen zeugte davon, dass hier etwas in der Luft lag. Als er sich zu ihr herabbeugte, um sie zu küssen, wich sie zurück.
„Nein, fass mich nicht an“, fauchte sie. „Zuerst muss ich dich etwas fragen!“
Misstrauisch verengte er die Augen. „Was denn?“, erkundigte er sich mit gespielter Unschuldsmiene.
In diesem Augenblick wusste sie Bescheid. Die ungewöhnlich steife Körperhaltung, die geballten Hände, der steinerne Gesichtsausdruck. Er war es, nicht seine Familie! Er versuchte Max zu erpressen!
Plötzlich wurde ihr eiskalt, es schnürte ihr die Kehle zu, und ihr ganzer Körper begann zu beben. Einen Moment blieb sie noch unschlüssig stehen, dann ging sie einfach um ihn herum, um zu sehen, was er auf dem Schreibtisch verbarg.
Eine bleischwere Stille senkte sich über den Raum, als sie erkannte, was die vielen Aktenordner beinhalteten. Jeder einzelne war fein säuberlich mit einem Firmennamen beschriftet. Alle diese Unternehmen gehörten Max. Und dort lag sogar ein Ordner mit ihrem eigenen Namen – Louisa Jonson.
Jetzt begann auch noch das Telefon zu klingeln. Als würde sie aus einer Trance erwachen, zuckte sie zusammen.
„Ich dachte, dein Vater steckt dahinter“, sagte sie mit zitternder Stimme, als das Klingeln aufhörte. „Ich konnte und wollte nicht glauben, dass du so etwas tun würdest!“ Leichenblass wandte sie sich ihm zu. „Warum?“, flüsterte sie.
Er zuckte derart ungerührt mit den Schultern, dass es ihr einen Stich versetzte. „Landreau ist dein Liebhaber.“
Stumm vor Entsetzen starrte sie ihn an. Nicht ein einziges Wort konnte sie zu ihrer Verteidigung herausbringen. Wenn er geschrien und getobt hätte, wäre sie besser mit der Situation klargekommen, aber seine tödliche Ruhe brachte sie völlig aus der Fassung.
„Kein Kommentar?“, fragte er mit einem finsteren Lächeln. „Ist auch besser so.“ Langsam kam er zu ihr an den Schreibtisch. Ganz der geschmeidige Geschäftsmann, griff er nach dem Ordner, auf dem ihr Name stand.
„Eins muss ich dir lassen, agape mou “, fuhr er ruhig fort. „Du hast wenigstens deinen Mädchennamen verwendet, während du mit ihm in den letzten vier Jahren durch die halbe Welt gereist bist. Ganz
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