Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
Deduktion aus ersten und wahren Sätzen darstellt (er wird in den Ersten Analytiken behandelt), den dialektischen Syllogismus (der Gegenstand der Untersuchung in der Topik ist) und den eristischen Syllogismus (der in den Sophistischen Widerlegungen behandelt wird).
Es geht also in der Topik um den dialektischen Syllogismus. Charakteristisch für ihn ist, dass seine Prämissen (Vordersätze) «aus anerkannten Meinungen»nicht aus wissenschaftlichen Wahrheiten, bestehen. Damit strömt der ganze Bereich der Meinungenein, den Aristoteles ganz anders bewertet als Platon. Für Platon war die Meinung mit dem Scheinwissen verbunden, vor allem wenn sie sich als Wissen ausgibt. Sie muss einer Prüfung unterzogen und in ihrem Anspruch entlarvt werden. Für Aristoteles ist die «Meinung» etwas grundsätzlich Positives. Bei jeder Erörterung eines Problems geht er von den «Meinungen» anderer aus. Was alle meinen, kann nicht ganz falsch sein.[ 10 ] Ähnlich verhält es sich mit dem bei Platon und Aristoteles ganz unterschiedlichen Begriff der Dialektik. Für Platon ist die Dialektik die höchste Tätigkeit des Philosophen, der Weg zur Erkenntnis des Seins, der Ideen und Prinzipien. Aristoteles führt den Begriff Dialektik wieder auf seine ursprüngliche Bedeutung zurück als Kunst, ein Gespräch zu führen, und zwar über alle Themen. Die Dialektik ist also auf die gleiche Ebene bezogen wie die allgemein akzeptierten «Meinungen». Das bedeutet aber nicht etwa, dass die mit dem Syllogismus verbundenen logischen Operationen laxer zu handhaben wären. Ausdrücklich hebt Aristoteles hervor, dass die Conclusio sich «mit Notwendigkeit» aus den Prämissen ergeben müsse.
Nach der Erläuterung des Themas weist Aristoteles sogleich den Nutzen seiner Abhandlung (bzw. Vorlesung) auf. Den Nutzen dessen, was man zu bieten hat, aufzuweisen, steht in sophistischer Tradition. Es ist ein Stück ‹Werbung›; man wirbt für seine Sache durch den Nachweis des zu erwartenden Nutzens. Das ist im konkreten Fall Ausdruck der Konkurrenzsituation, in der sich Aristoteles in der Akademie befindet. Für diese in der Akademie sicher auch vorgetragene Abhandlung sieht er einen dreifachen Nutzen ( Topik I 2): 1. für Übungszwecke, für eine intellektuelle «Gymnastik»Top. I 2, 101 a 27); 2. «für die Begegnungen». Gemeint ist damit offenbar die Begegnung des Philosophen (oder eines Fachmannes) mit der Menge. Hierbei hilft das kunstgerechte Argumentieren im Sinne des dialektischen Syllogismus dazu, die undifferenzierten Meinungen zu sichten und so eine Verständigungsbasis herbeizuführen. 3. «für die philosophischen Wissenschaften». Das bezieht sich nicht auf die Dialektik im platonischen Sinne, sondern darauf, dass ein in der Methode der (aristotelischen) Dialektik in fachgerechtem Vorgehen Geschulter besser in der Lage ist, im Durchgang der Aporienim Hinblick auf «beide Seiten» das Wahre und das Falsche zu erblicken. Aristoteles schwebt offenbar das vor, was er selbst im dritten Buch der Metaphysik in der antithetischen Behandlung von 15 nicht aufgelösten Aporien vorführt. Ausdrücklich betont er, dass eine solche Diskussion zwar fachgerecht, aber auf der Grundlage der anerkannten Meinungen zu führen sei.
Im weiteren Verlauf des ersten Buches der Topik erörtert Aristoteles die grundsätzlichen Elemente der Dialektik. Es sind zunächst die vier Praedicabilia, d.h. Prädikationstypen, die das Gerüst aller Sätze (Prämissen und Conclusio) bilden, die in einem dialektischen Syllogismus vorkommen. Es sind 1. die Definition, also die Begriffsbestimmung, «was es heißt, dies zu sein» (Top. I 5, 101 b 38); 2. «das Eigene»Gemeint ist die spezifische Eigentümlichkeit, die nicht zur eigentlichen Definition einer Sache gehört. Als Beispiel führt Aristoteles die Eigentümlichkeit des Menschen an, lesen und schreiben zu können. Es handelt sich dabei um ein relatives und zeitweiliges Merkmal. 3. die Gattung als das, was von verschiedenen Einzeldingen als gemeinsames Wesensmerkmal ausgesagt wird (Lebewesen als Gattung für Mensch und Tier); 4. AkzidenzDas ist das «Beiläufige», das kein Wesensmerkmal einer Sache darstellt, aber vorkommt, z.B. dass ein Mensch sitzt oder ob im Sinne eines Vergleichs etwas schöner als etwas anderes ist. Auch hier handelt sich um etwas, was zeitweilig und relativ zum Eigentümlichen steht.
Ein weiteres Element ist «das Identische» (I 7), das Aristoteles dreifach untergliedert, der Zahl, der Art oder der
Weitere Kostenlose Bücher