Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
Gattung nach. Es ist deshalb von Bedeutung, weil im Zusammenhang des dialektischen Syllogismus die Definition mit dem Definierten identisch sein muss. Ferner werden noch die zehn Kategorien aufgeführt, die eine Sache in der kategorial differenzierten Aussage zu erfassen vermögen (I 9). Zum weiteren Rüstzeug des mit Hilfe des dialektischen Syllogismus Diskutierenden gehört die Kenntnis der «Induktion»als «Aufstieg vom Besonderen zum Allgemeinen» (I 12), die also den umgekehrten Weg als den Schluss aus Prämissen bildet.
Schließlich behandelt Aristoteles noch die vier «Werkzeuge»zur Gewinnung von Schlüssen (I 13–17). Es sind dies 1. das Erfassen und Auswählen der Prämissen. Dabei ist darauf zu achten, dass man allgemein anerkannte oder häufig vorkommende Sätze als Prämissen verwendet. Diese kann man auch aus schriftlichen Quellen gewinnen und man könne sich daraus nach Sachgebieten (Ethik, Logik, Naturforschung) gegliederte Verzeichnisse anlegen (I 14, 105 b 12–29). Als Beispiele werden unter anderen genannt: Ist der Kosmos ewig oder nicht? oder: Soll man eher den Eltern oder den Gesetzen gehorchen, wenn beide etwas Verschiedenes verlangen? Man sieht aus diesen Beispielen, dass es sich um Alternativen handelt, so dass die gewählte Prämisse (z.B. man soll den Eltern folgen) im dialektischen Gespräch bestritten werden kann. 2. Die Unterscheidung der mannigfaltigen Bedeutung der Wörter. Es ist dies ein Grundsatz der aristotelischen Philosophie im Ganzen, darauf zu achten, dass ein und dasselbe Wort in verschiedenen Kontexten verschiedene Bedeutungen haben kann, was vor allem aus den jeweiligen Gegensätzen hervorgeht. Der Gegensatz von «schön» bei einem Körper ist «hässlich», bei einem Haus(halt) «armselig». 3. Beachtung der Unterschiede innerhalb ein und derselben Gattung, z.B. innerhalb der Gattung «Tugenden» das unterschiedliche Verhältnis von Einzeltugenden wie Tapferkeit, Besonnenheit, Klugheit und Gerechtigkeit zueinander; 4. Beachtung der Ähnlichkeiten zwischen Dingen, die verschiedenen Gattungen angehören, zum Beispiel die Sehkraft der Augen ist ähnlich der Einsichtin der Seele. Es ist die später in der Metaphysik (V 6, 1016 b 34ff.) näher ausgeführte Methode der Analogie zur Erfassung des Seienden. Für alle vier «Werkzeuge» weist Aristoteles deren Nutzen für die Dialektik (im aristotelischen Sinn) auf.
Erst im zweiten Buch taucht, zuerst eher beiläufig, das Wort «Topos» auf, das der ganzen Schrift den Namen gegeben hat. Eine gewisse Schwierigkeit besteht darin, dass Aristoteles den Begriff «Topos» nicht genau definiert. «Topos» heißt «Ort», «Platz». Diese wörtliche Wiedergabe klingt in unserem Wort «Allgemeinplatz» noch nach. Und so sind schon in der voraristotelischen Rhetorik Topoi «Allgemeinplätze», zumeist als vorformulierte Versatzstücke, z.B. in der Erregung von Mitleid, im Lob von Schönheit und Gesundheit, in der Versicherung der Schwierigkeit der Anklage usw. So sind die Topen der Topik nicht, und zwar deshalb nicht, weil die rhetorischen Topen situationsbezogen und daher in ihrem materialen Inhalt eingegrenzt sind, während die Topen der Topik Allgemeingültigkeit beanspruchen. Sie sind vielmehr ‹Regeln› im Sinne von Argumentationsanleitungen vorzugsweise, aber nicht ausschließlich zum Auffinden von Prämissen im Streitgespräch und mit dem Ziel, logische Fehler und Widersprüche zu vermeiden. Sie bestehen aus Hinweisen, Beispielen, Begriffsdifferenzierungen und werden oft eingeleitet mit Formeln wie: «man muss prüfen, ob», «man muss sehen, ob». In diesem Sinne führt Aristoteles im Hauptteil der Topik (Buch II–VII) über 300 Topen an, im Groben gegliedert nach den vier Prädikabilien, und zwar so, dass Buch II Topen im Bereiche der Akzidenz, Buch III ergänzend Topen auf dem Gebiet des Wünschenswerten, Buch IV im Bereich der Gattung, Buch V auf dem Gebiet der spezifischen Eigenart und die Bücher VI und VII im Bereich der Definition sich finden.
Wenigstens einige Beispiele seien aufgeführt. Es ist ein Topos (also eine Regel), beim Aufstellen einer Prämisse ein Wort in einen bekannteren Ausdruck umzuwandeln, also z.B. «genau» in «klar» oder «Vielgeschäftigkeit» in «Rastlosigkeit». Dieses (in der Übersetzung schwer wiederzugebende) Verfahren erleichtert sowohl das Aufstellen als auch das Bestreiten einer als Prämisse formulierten These (Top. II 4, 111 a 8–13). Alle Beispiele verweisen auf ein generelles
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