Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
Thema ist der wissenschaftliche Beweis. Dass und wie er in der Form des Syllogismus gefunden wird, ist in den Ersten Analytiken dargestellt. Die Darstellung eines korrekten Schlusses nennt Aristoteles «Analysis» (An. Pr. I 38, 49 a 19), daher kommt der Titel der Schrift.
Am Anfang der Topik hatte Aristoteles unter den verschiedenen Arten des Syllogismus auch den apodiktischen (beweisenden) Syllogismus erwähnt, der wissenschaftliches Denken strukturiert und der eine Deduktion aus wahren und ersten Sätzen darstellt. Seine Untersuchung in den Analytiken bildet aber keine bloße Ergänzung der Topik , sondern bedeutet etwas ganz Neues, obwohl die Definition des Syllogismus nahezu wörtlich die gleiche ist wie in der Topik , wie denn die frühere Schrift Topik auch keineswegs als überholt angesehen wird.
Im Unterschied zur Topik tritt aber jetzt das konkrete Anschauungsmaterial fast ganz zurück. Hatte Aristoteles in der Topik eine überaus große Zahl an Beispielen vor allem für die Bildung der Prämissen mit Hilfe der Topen angeführt, so bleibt die Mehrzahl der logischen Operationen jetzt fast ohne Beispiel. Dafür arbeitet Aristoteles in den Analytiken mit Symbolen, die durch Buchstaben bezeichnet werden. Das Beispiel tritt auch deshalb zurück, weil die mit Buchstaben markierten logischen Schritte Allgemeingültigkeit beanspruchen und nicht an Einzelfälle gebunden sind. Nur ganz gelegentlich werden einzelne Wörter wie «Mensch», «Tier», «Pferd» als Exempel benutzt. Aristoteles ist damit zum Erfinder der formalen Logik geworden und eben dies setzt dem unvorbereiteten Leser Grenzen im Direktverständnis. So kann es auch hier nur darum gehen, die Grundlinien zu skizzieren.[ 13 ]
Das erste Buch der Analytica Priora ist klar gegliedert. Nach einer Einleitung (Kap. 1–3) gibt Aristoteles einen Überblick über alle gültigen Syllogismen (Kap. 4–26). Darauf folgt eine Untersuchung im Hinblick auf die Anwendung der Kenntnisse über die Struktur der Syllogismen (unter Einschluss der ungültigen Syllogismen spricht man von «syllogistischen Modi») in Form von Regeln für das Auffinden der einzelnen Begriffe und Sätze (Kap. 27–31). Anschließend erörtert Aristoteles die Fragen der Rückführung vorliegender Argumente auf die Möglichkeit hin, sie in die Form eines gültigen Syllogismus zu bringen (Kap. 32–45). Das zweite Buch hat ergänzenden Charakter. Es enthält eine vertiefte Behandlung der Syllogismen und der Beweismöglichkeiten. Schluss- und Beweisfehler werden aufgezeigt; zusätzliche Elemente wie «Induktion», «Abduktion» sowie weitere Schlussformen (z.B. der «physiognomische Schluss») werden aufgeführt.
Aristoteles berücksichtigt ausschließlich Aussagesätze, die bejaht oder verneint werden können, nicht also Sätze, die den Charakter eines Gebetes oder eines Befehles haben. Man spricht dabei von assertorischer Logik. Sein Augenmerk gilt zunächst dem Begriff «Protasis»womit die im Syllogismus als Prämisse verwendete Aussage gemeint ist. Noch einmal grenzt er sie von der dialektischen Protasis ab. Während diese dem Diskussionspartner gegenüber den Charakter von bestreitbaren Fragen haben, sind jene apodiktische Festlegungen. Für die Stringenz des Schlussverfahrens macht das aber keinen Unterschied. Sodann definiert Aristoteles den Begriff «Terminus»als das, worin sich eine Aussage zerlegen lässt. Es ist das Subjekt (S) oder das Prädikat (P), verbunden mit der Kopula «ist» oder «ist nicht» zu einer Protasis, also S ist P oder S ist nicht P. Allerdings wählt Aristoteles (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht die Formulierung S ist P, sondern P kommt S zu. Dadurch steht das Prädikat vor dem im Dativ stehenden Subjekt. Auf diese Weise ist der Syllogismus bzw. – unter Einschluss ungültiger Syllogismen – der «syllogistische Modus» nicht eine Abfolge von drei Sätzen, sondern ein zusammenhängender Satz. Ein Beispiel: Wenn alle Säugetiere lebendgebärend sind und alle Delphine Säugetiere sind, dann kommt allen Delphinen zu, lebendgebärend zu sein.
Aristoteles unterscheidet weiterhin zwischen vollkommenen und unvollkommenen Syllogismen. Vollkommen ist ein Schluss, der unmittelbar evident ist, während es bei den unvollkommenen Syllogismen weiterer Schritte bedarf, um den Sachverhalt evident zu machen (An. Pr. I 1, 24 b 22–26). Dabei muss der unvollkommene Schluss auf einen vollkommenen Schluss zurückgeführt werden. Dazu gibt es drei Möglichkeiten, 1. die
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