Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
der scholastischen Philosophie des Hochmittelalters vermittelt wurde.[ 34 ] Dabei wurde vor allem die Theologie des Aristoteles für die Konzeption der verschiedenen Gottesbeweise verwertet und einem personalen Gottesverständnis angepasst.
Eine eingehendere Aristoteles-Rezeption erlaubten die seit dem 12. Jahrhundert erschienenen lateinischen Übersetzungen, wofür die Metaphysica novae translationis (1271) von Wilhelm von Moerbeke ein eindrucksvolles Zeugnis ist. Die Entwicklung der Metaphysik dieser Zeit im Ganzen vollzieht sich auf der Basis der aristotelischen Grundfrage nach dem eigentlich Seienden und seiner allgemeinen Bestimmung. Sie führt über Thomas von Aquin (1224–1274), der sich stark an die aristotelische Metaphysik als Wissenschaft «post physicam» anlehnt, Thomas von Yorks Metaphysica (um 1260), (Pseudo-)Robert Grossetestes Summa Philosophiae (um 1270) und weiter in einer Aristoteles-Renaissance des Humanismus (jetzt wird der griechische Text bekannt) bis hin zu den sowohl die scholastische wie die humanistische Tradition zusammenfassenden Disputationes Metaphysicae (1597) des Jesuiten Francisco Suarez, bis dann mit einem neuen, an Mathematik und Naturwissenschaften orientierten Methodenverständnis eines Francis Bacon (1561–1626) und René Descartes (1596–1650) der wissenschaftliche Status einer Metaphysik fragwürdig wurde. Die umfassendste Systematisierung der gesamten Metaphysik-Tradition leistete im 18. Jahrhundert Christian Wolff in mehreren Werken, insbesondere in der Philosophia prima sive Ontologia (1730). Von da an kann von einer systematischen Weiterentwicklung der eigentlichen aristotelischen Metaphysik kaum mehr die Rede sein. Was fortan Metaphysik genannt wird, ist auch nur locker verbunden mit dem spezifischen Entwurf der aristotelischen Metaphysik , zumal deren kosmologische Komponente angesichts des neuen naturwissenschaftlichen Weltverständnisses längt obsolet geworden war. Folgenreich war dann die generelle Metaphysikkritik Kants, der in der Kritik der reinen Vernunft (1781) nur Gegenstände in Raum und Zeit als «Formen der Anschauung» zu Objekten menschlicher Erkenntnis deklariert hat. Gegen die Metaphysikfeindlichkeit verschiedener empiristischer und positivistischer Strömungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts haben vor allem Alfred North Whitehead (1861–1947) auf der Grundlage einer als Neuthomismus bezeichneten Rückkehr zu Thomas von Aquin und Nicolai Hartmann (1882–1950) auf verschiedene Weise die Metaphysik als philosophische Disziplin rehabilitiert. Hartmann, der auch eine eng an Aristoteles angelehnte Ethik (1928) verfasst hat, erweiterte die traditionelle «Gebiets-Metaphysik» und spekulative «Metaphysik» durch eine «Metaphysik der Probleme», mit der er die nie ganz durchdringbaren Grundbestände des Seins meint und dabei an die «große Kunst der Aporetik» des Aristoteles anknüpft ( Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis , 1921, 4f.). Eine radikale Neubestimmung von Metaphysik als Ontologie unternimmt gleichzeitig Martin Heidegger, der die Frage nach dem Sinn von Sein im Horizont der Zeit neu stellt ( Sein und Zeit 1927), dann aber (in der Vorlesung Einführung in die Metaphysik 1935) der traditionellen Metaphysik geradezu «Seinsvergessenheit» vorwirft, so dass die Frage nach dem Sinn von Sein neu zu stellen sei. Die kritische Diskussion über den ganzen Fragenkomplex, auch über die (gegen Heidegger gerichtete) Abhandlung von Rudolf Carnap Die Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse (1931), ist seitdem Gegenstand nicht nur von philosophischer, sondern auch von theologischer Seite, so z.B. in dem Anspruch von Wolfhard Pannenberg, die Theologie habe «das Erbe der Metaphysik mitzuverwalten» ( Grundfragen systematischer Theologie , 1971, 346). Das steht Aristoteles wieder ganz nahe.
9.
P HYSIK – Z WEITE P HILOSOPHIE
D IE G RUNDLAGEN
Physik ist hier im umfassenden Sinn als Lehre von der Natur verstanden. Ihr wird als «Zweiter Philosophie» ( Metaphysik VII 11, 1037 a 14–16) die Untersuchung der sinnlich wahrnehmbaren Substanzen zugewiesen. Dargestellt wird dies in den acht Büchern Physik , die jedoch kein kompositorisch durchgestaltetes Ganzes bilden. Zahlreiche Wiederholungen, insbesondere zu der zentralen Thematik der Bewegung, zeigen, dass verschiedene Einzelabhandlungen nachträglich zum Thema Physik zusammengestellt wurden.
M ETHODISCHE V ORÜBERLEGUNGEN
Der eigentlichen, mit dem zweiten Buch der
Weitere Kostenlose Bücher