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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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ergänzen sich gegenseitig zu zielgerichteten Prozessen der Bewegung und Veränderung. Das ist der Kern der ‹Teleologie› des Aristoteles.
    Sind demnach alle Prozesse in der Welt der Erscheinungen ‹teleologisch› orientiert, so erhebt sich die schwierige Frage, wie denn scheinbare Störungen der Teleologie, also ateleologisch verlaufende Prozesse wie blinde Automatik und wirkliche oder scheinbare Zufälle zu erklären sind ( Physik II 4–6). Der Zufall ist für Aristoteles keine universelle Macht, sondern ereignet sich in der Welt des Handelns, wenn – bei positiver Konnotation des Wortes «Zufall»– ein Zweck beiläufig erreicht wird, der nicht intendiert war. Das von Aristoteles angeführte Beispiel verdeutlicht den Sachverhalt: Jemand ist auf den Markt gegangen und hat dort «zufällig» einen Schuldner getroffen, den zu treffen ihm sehr gelegen kam, mit dessen Anwesenheit auf dem Markt er aber nicht gerechnet hat (Phys. II 4, 196 a 1–5). Es handelt sich um den Zusammenfall eines durchaus zweckbestimmten Handelns (Gang auf den Markt) mit dem Erreichten eines zwar generell, aber nicht unter den gegebenen Umständen intendierten Zweckes (Treffen des Schuldners). Der Zufall nimmt damit den Charakter des Beiläufigen innerhalb eines insgesamt teleologischen Kontextes an. Der Zufall ist dabei keine Störung der Teleologie, welche die Möglichkeit beiläufiger Ursachen wie des Zufälligen offen lässt.[ 5 ]
    Natürlich kennt Aristoteles auch den Zufall mit unglücklichem Ausgang. Er verweist auf den Sprachgebrauch, wonach wir sagen, wir hätten durch die Fügung des Zufalls Glück gehabt, wenn uns beinahe, aber nicht wirklich ein großes Unglück getroffen hätte, während wir andererseits Pech haben, wenn uns etwas Erfreuliches beinahe zuteil geworden wäre. Dabei unterlässt Aristoteles – im Hinblick auf seine Ethik – die Bemerkung nicht, dass diese Art «Glück» als ein aus der Regel fallendes Geschehen nicht beständig ist, nicht verwechselt werden darf mit der «Eudämonie» als Ziel der Verwirklichung des Menschen.
    Eng verwandt mit dem Begriff «Zufall»ist der weitere, den «Zufall» einschließenden Begriff des (wörtlich) «Automatischen»Die Übersetzungen schwanken («das Spontane», «blinder Zufall»); wir übersetzen mit: «blinde Automatik». Der Unterschied zum «Zufall» («Fügung») ist, dass dieser nur auf Wesen zutrifft, von denen man sagen kann, sie hätten Glück oder Unglück gehabt, während die «blinde Automatik» auf das Naturgeschehen bezogen ist.
    Aristoteles hatte im Rahmen einer Physik Veranlassung, sich mit denjenigen früheren Denkern auseinanderzusetzen, die die Welt als ein Produkt reinen Zufalls oder blinder Automatik angesehen haben.
Einige Philosophen geben als Ursache für dieses (sichtbare) Himmelsgebäude und für alle Welten überhaupt als Ursache einen blinden Automatismus an. So sei ganz zufällig von selbst der Urwirbel und jene Bewegung entstanden, die das Ganze der Welt ausdifferenziert und in die gegenwärtige Ordnung gebracht hat. Gerade das ist aber äußerst befremdlich: Während sie einerseits sagen, dass Tiere und Pflanzen weder ihre Existenz noch ihr Entstehen dem Zufall verdanken, … behaupten sie andererseits, dass das Himmelsgebäude und (die Gestirne), die göttlichsten unter den sichtbaren Gebilden, aus blindem Automatismus entstanden seien (Phys. II 4, 196 a 24–34).
    Aristoteles setzt sich hier mit Philosophen wie Empedokles, Anaxagoras und den Atomisten auseinander, die – so meint er – die Ordnung in der Welt der Erscheinungen zwar kennen und beschreiben, sie aber nicht hinreichend erklären können. Auf der anderen Seite grenzt er sich auch (hier implizit) gegen die Lehre Platons ab, der die Ordnung der Welt durch die Annahme eines Weltbaumeisters erklären wollte (vgl. S. 230). Für Aristoteles gibt es keine «hinter den natürlichen Dingen stehende planende Instanz»,[ 6 ] weil die Welt überhaupt nicht erschaffen, sondern ewig ist.
    Diese Welt ist so eingerichtet, dass die Natur und das heißt: alle regulären Prozesse in der Natur zweckgerichtet sind. Dabei mag es nach unserem Verständnis von «Physik» merkwürdig sein, dass Aristoteles in die Betrachtung der Natur immer wieder die auf ein Ziel gerichtete menschliche Tätigkeit einbezieht. Seine Grundannahme ist, dass die Struktur menschlichen Herstellens sich völlig deckt mit der Struktur dessen, was die Natur produziert (Phys. II 8, 199 a 9–11). Wäre ein Haus ein

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