Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
war der griechische Heros der Sintflut, die er mit einer selbstgebauten Arche überlebt hat. Daraus haben sich in der platonischen Akademie Katastrophentheorien (Kataklysmentheorien) entwickelt, auf die auch Platon eingeht ( Timaios 22 A; Gesetze 677 A), die das relativ junge Alter der erst nach einer Sintflut entstandenen Griechen erklären sollen. Aristoteles bezieht sich darauf in der vor ihm angelegten (verlorenen) Sammlung von Sprichwörtern und erklärt diese als Überbleibsel von Philosophie aus einer früheren Menschheitsepoche. Der Gedanke des Abbruchs der Überlieferung «in schicksalsbedingten Zeitabständen» (I 14, 352 a 30) ist damit verwandt. So gehört dieses geologisch orientierte Kapitel zu den interessantesten Partien der Meteorologie.
W INDE
Zum Kernbestand jeder Meteorologie gehört das Thema: Winde. Dazu gibt es seit Anaximander viele Theorien, zumal die Bedeutung der Winde im praktischen Leben der Griechen eine große Rolle spielt, insbesondere in der Seefahrt, aber auch in der Medizin, so in der hippokratischen Schrift Über Winde (bzw. Luft), Wasser, Ortslagen , in der der Einfluss der für bestimmte Gegenden typischen Winde auf die Gesundheit des Menschen untersucht wird. Die Abhandlung des Aristoteles ( Meteorologie II 4–6) ist voll von treffenden Beobachtungen, die allerdings recht schematisch in die Systematik der doppelten Ausdünstung bzw. Verdampfung eingeordnet werden. Aristoteles erklärt die Entstehung der Winde durch die Annahme einer rauchartigen Verdampfung, die unter Einwirkung der Sonne von der Erde aufsteigt. Daneben ist für das Entstehen der Winde die feuchte und kalte Ausdünstung konstitutiv, die eine Ausscheidung des Wasserelementes bedeutet. Dieses Systemelement hat schon Theophrast in seiner (erhaltenen) Abhandlung Über die Winde zugunsten der Annahme einer direkten Einwirkung der Sonne und einer mechanistischeren Auffassung von der Bewegung der Luftmassen zurückgedrängt. Indessen dürfte Aristoteles der Erste gewesen sein, der eine sogenannte Windrose aufgestellt hat. Er hat dazu eine Zeichnung angefertigt (Meteor. II 363 a 27), die offenbar seinen Hörern vor Augen stand. Die Zeichnung enthielt einen in zwölf Abschnitte eingeteilten Kreis, in den im Uhrzeigersinn die einzelnen Winde vom Nordwind an entsprechend ihrer Windrichtung eingetragen waren. Derartige Windrosen wurden im Hellenismus beliebt; der Besucher der Altstadt (Plaka) Athens kann eine solche Windrose, projiziert auf den umlaufenden Fries des berühmten, aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammenden «Turmes der Winde» sehen, wo acht Winde personifiziert durch Skulpturen dargestellt sind.
E RDBEBEN , R EGENBOGEN
Von ähnlichem Gewicht ist die Abhandlung über das Erdbeben (Meteor. II 7–8), in der sich Aristoteles als kundiger Seismologe erweist, aber immer wieder als Biologe urteilt:
Man muss sich das (Erdbeben) nach Analogie unseres menschlichen Körpers vorstellen. Wie hier die Kraft des eingeschlossenen Pneumas Zittern und Schüttelkrämpfe verursacht, so wirkt es in der Erde ähnlich, wie denn manche Erdbeben einem Zittern, manche einem Schütteln gleichen. Und wie es nach dem Wasserlassen häufig der Fall ist, dass eine Art von Zittern durch den Körper geht, weil dann nämlich von außen Luft unter Druck auf einmal in den Körper eintritt, so muss man es sich auch als Vorgang im Erdkörper denken (Meteor. II 8, 365 b 25).
Die Ursache von Erdbeben wird auf die gleiche Weise erklärt wie bei allen anderen meteorologischen Phänomenen, durch Ausdünstung, konkret durch das Eindringen von Ausdünstungen in das Erdinnere.
Aus der Fülle der weiteren, hier nicht in allen Einzelheiten zu besprechenden meteorologischen Erscheinungen ragt die Behandlung des Regenbogens (Meteor. III 4–5) heraus, weil sie Ansätze zu einer Farbenlehre enthält. Zunächst wird der Regenbogen als Reflexionserscheinung gedeutet. Wieder wird die Analogie zu den menschlichen Verhältnissen bemüht: Unser Sehen wird von jeder glatten Oberfläche, also auch von Luft und Wasser, reflektiert. Aristoteles führt als Beispiel an, dass ein Mensch mit schwachen Augen beim Laufen stets den Eindruck hat, es gehe ihm ein Schattenbild voraus. Das liege daran, dass sein Sehen auf Grund seines Augenleidens so schwach und matt sei, dass schon die umgebende Luft für ihn zum Spiegel werde. Beim Regenbogen sind es dann entfernte, verdichtete Luftmassen, die so wirken. So wird der Regenbogen als eine Brechung des Sehens hin zur Sonne
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